Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
bisher unbestätigten Gerüchten sollte es sich bei den Toten um Terroristen handeln.
Wenigstens war nicht die Rede von erschossenen Polizeibeamten, sodass keine Cops auf dem Kriegspfad sein würden, um Bonnie und Clyde zu erledigen, die ihre besten Kumpel umgelegt hatten. Ich saß da, hörte mir die Nachrichten bis zu Ende an und war mir sehr bewusst, wie unangenehm feucht meine Jeans waren.
Hier war es jetzt 12.47 Uhr. Ich schaltete mein Mobiltelefon wieder ein und drückte die Taste Wahlwiederholung. Sobald ich das Klingeln hörte, stellte ich das Radio ab.
Rief ich Kelly in der Schule an, fand unser Gespräch meistens in ziemlich angespannter Atmosphäre statt, weil sie im Büro stand, in dem uns Leute zuhörten, die wie ihre Großeltern einfach nicht verstehen konnten, dass ein unberechenbarer Typ wie ich fürs Wohlergehen eines Kindes verantwortlich sein sollte.
Dann meldete sich Kelly. »Hallo?«
»Hi, wie geht’s dir heute?« Ich versuchte bei jedem Anruf, sie ein bisschen aufzumuntern, um ihr ihre Befangenheit zu nehmen.
»Gut. Wo bist du?«
Ich hörte ein zweites Telefon klingeln und Miss Grenfell- Brodie im Hintergrund mit Papier rascheln.
»Ich bin in London, arbeite noch. Wie geht’s dir in der Schule?«
»Gut.«
»Und wie war’s bei Granny und Grandad? Hast du dich dort gut amüsiert?«
»Einigermaßen.« Ihr Tonfall änderte sich plötzlich. »Hey, Nick, ich find’s echt cool, dass du anrufst!«
Mir gefiel es auch, ihre Stimme zu hören. »Siehst du, ich hab dir versprochen, dich anzurufen, und ich hab’s getan, nicht wahr? Das Versprechen eines normalen Menschen, weißt du. Bist du beeindruckt, oder was?«
Sie wurde lebhafter. »Ja, und weißt du was? Heute bei der Morgenversammlung hat die ganze Schule >Happy Birthday< für mich gesungen. Na ja, für Louise, Catherine und mich. Die haben auch in den Ferien Geburtstag gehabt. Bist du beeindruckt, oder was?«
Ich stellte mir vor, wie Miss Grenfell-Brodie ihr einen missbilligenden Blick zuwarf.
»Wir sagen nicht >oder was<, hast du das vergessen? Ist’s peinlich gewesen?«
»Nein! Meine Klasse hat mir ein Buch geschenkt. Ein Buch über erstaunliche Tatsachen - echt cool.«
»Wow!«, sagte ich mit geheuchelter Begeisterung. »Und was hast du heute gemacht?«
»Hmmm, meistens an unserem Geografieprojekt gearbeitet.«
»Sehr gut. Geografie ist immer mein Lieblingsfach gewesen.« Ich blickte zum Himmel auf, um zu sehen, ob ein Blitzstrahl auf mich herabzuckte.
»Nachmittags beim Sport haben wir dauernd Regenpausen gemacht«, schwatzte sie weiter. »Regnet’s in London auch?«
»In Strömen. Ich bin klatschnass geworden. Geht’s so weiter, wachsen mir Schwimmhäute zwischen den Zehen.«
Wir lachten beide. »Hast du schon mit Josh telefoniert?«, fragte Kelly. »Sind sie wieder daheim?«
»Nein, erst morgen.«
»Oh, okay. Wir müssen ihnen eine Karte schicken und uns für ihren Besuch bedanken.«
Ich überlegte mir, dass es eigentlich meine Aufgabe war, an solche Dinge zu denken. »Okay, kannst du das übernehmen? Das wäre bestimmt eine nette Überraschung für sie. Wenn du schon dabei bist, kannst du ihnen auch ein paar erstaunliche Tatsachen mitteilen.«
»Gut, das mache ich in der Briefstunde.«
»Darüber freuen sie sich bestimmt.« In der Briefstunde am Sonntagmorgen mussten alle Internatsschülerinnen an ihre Eltern schreiben. Oder in Kellys Fall an ihre Großeltern und ihren Vormund.
Ein Lastwagen parkte zwischen mir und dem Motel. Während Kelly weiterschwatzte, beugte ich mich etwas nach rechts, um den Eingang im Auge zu behalten, und benutzte diese Gelegenheit, um meine feuchten Jeans hochzuziehen. »Ich wollte, wir hätten bei ihnen auf dem Schiff bleiben können, Nick. Können wir noch mal auf die Golden Hind?«
»Yeah, kein Problem.« Ich merkte, dass ich noch immer ein schlechtes Gewissen hatte. In diesem Augenblick hätte ich ihr vermutlich alles versprochen, was sie sich nur wünschte. Die zwischen mir und dem Motel vorbeifahrenden Autos zogen lange Wasserschleier hinter sich her.
»Können Josh und die anderen auch kommen?«
»Natürlich. Sobald sie mal wieder Ferien haben. Vergiss nicht, Josh in deinem Brief einzuladen, okay?«
Noch während ich mich das sagen hörte, wusste ich, dass es dazu nicht kommen würde. Eine weitere Englandreise mit seinen drei Kindern konnte Josh sich bestimmt nicht so bald leisten. »Tut mir Leid, aber ich muss jetzt Schluss machen. Noch viel Spaß bei eurer gemeinsamen
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