Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
Amerikaner zu töten.
Ich trank einen Schluck Tee und ließ die Tasse auf meiner Brust stehen, während ich mich auf dem Sofa zurücklehnte. Ein Befehl des Präsidenten verbot den amerikanischen Geheimdiensten seit Jahren, Attentate zu planen und auszuführen. Aber nachdem die Fatwa ausgesprochen worden war, wurde Bin Laden in einem von Bill Clinton unterzeichneten Geheimbefehl, der die Dienste ermächtigte, verdeckte Unternehmen, die zum Tod des Betreffenden führen konnten, zu planen und auszuführen, namentlich genannt. Diese Maßnahme, so hieß es in dem Bericht, sei aus zwei Gründen unumgänglich:
1. Wir glauben, dass Bin Laden neue terroristische Anschläge gegen amerikanische Interessen plant.
2. Wir glauben, dass es nicht darum geht, ob Bin Laden wieder zuschlagen wird, sondern wann.
Ich streckte meinen Hals vor und trank den Tee aus. Dann sah ich wieder auf meine Uhr: In einer halben Stunde musste ich zum Treff mit Sarah.
Ich ging wieder in die Küche, legte die beiden Dokumente, die ich gelesen hatte, auf die Arbeitsfläche und schaltete die Schnellkochplatte ein.
Nun wurde es Zeit für Schriftstück Nummer drei. Es stammte aus einer Quelle mit der Abkürzung DOSFAN, die ich nicht kannte. Das Dokument berichtete von weltweiten Ermittlungen gegen verschiedene Mitarbeiter Bin Ladens, die zu ihrer Verhaftung geführt hatten.
Die Schnellkochplatte glühte rot. Ich sah einen Rauchmelder an der Decke und stieg in den Ausguss, um die Batterie herauszunehmen. Dann legte ich das erste Blatt, das ich gelesen hatte, auf die Herdplatte. Sobald es Feuer gefangen hatte, ließ ich es in den Ausguss fallen, legte einige Blätter darauf und las weiter.
Auf den ersten Seiten wurden die Verantwortlichen für den Bombenanschlag auf das World Trade Center namentlich genannt: Mohammed Salameh, ein Palästinenser, und sein Mitbewohner in einem Apartment in Jersey City - Ramzi
Ahmed, ein Iraker, der in Afghanistan gekämpft hatte und im September 1992 aus Pakistan kommend auf dem Kennedy International Airport eingetroffen war. Nach dem Anschlag hatte er die drei Jahre bis zu seiner Verhaftung fast ausschließlich im Haus der Märtyrer verbracht, einem Gästehaus in Peschawar, Pakistan, das Bin Laden gehörte.
Mit demselben Flugzeug war 1992 Ahmad Ajaj eingetroffen: ein Palästinenser frisch aus Afghanistan, dessen Koffer mit Anleitungen zum Bombenbau voll gestopft war. Ajaj wurde später wegen des Anschlags auf das World Trade Center verurteilt - ebenso wie Mahmud Abuhalima, der die Attentäter finanziell unterstützt hatte. Nach seiner Verhaftung in Ägypten sagte er aus, der Bombenanschlag sei in Afghanistan von Dschihadveteranen geplant worden. Bei einem Treffen in einer New Yorker Moschee warb Ramzi Ahmed das Trio aus Mohammed Salameh, Nidal Ayyad und Mahmud Abuhalima an. Sie halfen ihm, explosive Chemikalien zu kaufen und in billigen Wohnungen und einem in Jersey City angemieteten Lagerraum zu mischen. Auch Abdul Rahman Yasmin, ein Iraker, wurde dazu angeworben.
Zwischendurch nährte ich das Feuer im Ausguss weiter. Auf Seite drei unten entdeckte ich, was die Abkürzung DOSFAN bedeutete: Department of State Foreign Affairs Network - eine Dienststelle des Außenministeriums.
Dann zählte der Bericht mutmaßliche Mitglieder einer Terrororganisation auf, die unter Beobachtung standen, und ihre Namen stimmten mit denen überein, die Sarah mir genannt hatte. Ich las auch die letzten vier Seiten und verbrannte sie ebenfalls. Ich kam mir vor, als hätte ich Tolstois Krieg und Frieden im Schnelldurchlauf gelesen.
Ich drehte den Wasserhahn auf und drückte auf den Knopf, der das Mahlwerk des Abfallzerkleinerers einschaltete. Zahnräder knirschten, als die schwarze Asche zwischen ihnen verschwand. Ich holte tief Luft und machte mir klar, dass mich das alles nicht zu kümmern brauchte. Mir ging es ausschließlich um Joshs Kinder.
Auch in anderer Beziehung hatte Sarah Recht: Es gab niemanden, an den wir uns Hilfe suchend wenden konnten. Josh würde sich nicht das Versprechen abringen lassen, keinen seiner Vorgesetzten zu informieren. Selbst wenn seine Kinder nicht an der Zeremonie teilnahmen, blieben die anderen gefährdet, und er würde etwas dagegen unternehmen wollen.
Ich beobachtete, wie das letzte bisschen Asche im Ausguss verschwand, schaltete den Zerkleinerer aus und drehte den Wasserhahn zu. Nur noch eine Viertelstunde bis zu meinem Treff mit Sarah. Ich würde mich ziemlich verspäten, aber das machte mir keine
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