Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
und schüttelte ihn. Durch die Detonation musste er vorübergehend taub geworden sein, und ich wusste nicht, ob er schon wieder hören konnte. »Ich bin’s ... Nick. Los, steh auf, Tom! Wir müssen weiter.«
»Nick? Scheiße, was machst du hier? Scheiße, was ist
passiert?«
Ich machte die zweite Doppelschleife und gab ihm einen Klaps auf den Stiefel. »Los, steh auf!«
»Was? Was?«
Ich zog ihn hoch und half ihm in den Parka. Dabei kam ich mir vor, als zöge ich ein erschöpftes Kind an. »Tom ...«
Er war noch immer taub.
»Tom . Tom .«
»Ha .?« Er versuchte den linken Ärmel zu finden.
»Ich bin gleich wieder da, okay?«
Ich wartete sein Nicken nicht ab. Während er weiter mit den Ärmeln kämpfte, ging ich zurück, um meine Handschuhe zu suchen. Ich fand sie in der Nähe des ersten Mannes, den ich niedergeschossen hatte und der jetzt eindeutig tot war.
Tom hatte sich wieder in den Schnee gesetzt. Ich half ihm auf die Beine, zog den Reißverschluss seines Parka hoch und führte ihn langsam zu der in die Betonmauer eingelassenen kleinen Stahltür.
»Wir müssen uns beeilen, Tom. Los, komm schon! Unser Wagen steht ganz in der Nähe.«
Als wir aus dem Tiefschnee kamen und die Straße erreichten, blieb ich stehen, um mich zu vergewissern, dass nirgends Autoscheinwerfer zu sehen waren. Dann schritt ich rasch aus, hielt Toms Arm gepackt, zog den Stolpernden mit und führte ihn zugleich.
Während ich mich bemühte, auf dem Eis das Gleichgewicht zu bewahren, sah ich mich kurz um. Der Feuerschein des großen Gebäudes mit dem
Stromaggregat war weiterhin sichtbar, aber die Flammen schlugen nicht mehr hoch in den Nachthimmel. Ihre Helligkeit reichte eben aus, damit ich Toms Gesicht erkennen konnte. Er sah grässlich aus: Sein Gesicht und das wild zerzauste Haar waren voller Staub und Blut. Er sah aus wie das Opfer einer Explosion in einem Cartoon.
»Tom?« Ich sah ihm in die Augen, aber sein Blick blieb verständnislos dumpf. »Wir gehen zum Auto. Es steht ganz in der Nähe. Versuch mit mir Schritt zu halten, okay?«
Seine gemurmelte Antwort war nicht richtig zu verstehen. Irgendetwas zwischen »Klar« und »Was?«
Als wir die Stelle erreichten, wo ich den Lada geparkt hatte, konnte Tom wieder etwas besser hören, aber er wusste noch immer nicht, welcher Tag heute war. Ich sank entkräftet auf alle viere und holte trotz der Kälte keuchend tief Luft. Scheiß auf den Zahn, mein Hintern schmerzte jetzt noch mehr. Aber am schmerzhaftesten war die Erkenntnis, dass der Wagen verschwunden war.
Ich wusste nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Hatte ich mich etwa in der Stelle geirrt? Nein, die Reifenspuren waren deutlich zu sehen. Und ich sah die Spuren anderer Reifen und massenhaft Fußspuren, die meine überlagerten. Diese anderen Reifenspuren waren sehr breit und tief - vermutlich von einem Traktor. Scheißkerle! Die Dart-Mannschaft musste meinen Lada abgeschleppt haben - mitsamt dem Kaliber 38 Special.
»Scheiße, der Wagen ist geklaut!« Ich wusste nicht genau, ob ich das sagte, um Tom zu informieren oder mir selbst über diese Tatsache klar zu werden.
Tom war verwirrt. »Du hast gesagt ...«
»Ich weiß, was ich gesagt habe, aber die Karre ist weg.« Ich machte eine Pause. »Mach dir keine Sorgen, das ist kein Drama.«
Es war aber eines.
Vermutlich hatten sie den Lada nicht mal aufbrechen, sondern nur übers Eis schieben und vorn an der Anhängekupplung des Lastwagens hochziehen müssen. Das Pech klebte mir wirklich an den Stiefeln, seit ich vor nicht einmal 14 Tagen das Hotel Intercontinental in Helsinki betreten hatte.
Ich wünschte mir eine Sekunde lang, ich hätte nicht alle drei Autos in dem großen Gebäude mit platten Reifen zurückgelassen, aber dann fiel mir ein, dass sie jetzt alle längst verkohlt waren. In dieser gottverlassenen Gegend konnte ich höchstens hoffen, einen weiteren Traktor zu finden; klaute ich jedoch einen, würde die Maliskija wissen, dass wir auf der Flucht waren. Außerdem hatten wir keine Zeit, einen zu suchen. Also blieb uns nur eine Möglichkeit: Wir mussten zu Fuß weitermarschieren.
Ich rappelte mich wieder auf. »Tom, unser Plan hat sich geändert.«
Nun, er würde sich ändern, sobald ich Zeit gehabt hatte, darüber nachzudenken. Aber als Erstes mussten wir möglichst schnell aus dieser Gegend verschwinden. Wenigstens hatte das Wetter aufgeklart, so dass man im Licht der Sterne ziemlich gut sehen - und gesehen werden - konnte.
Tom, der langsam zur Besinnung
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