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Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Titel: Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy McNab
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zeigte, dass wir weit vom Kurs abgekommen waren. Ich kam mir wie ein Pilot im Blindflug mit Instrumentenausfall vor. Unsere Spur im Schnee musste eine endlos lange Zickzacklinie sein.
    Am meisten beunruhigte mich der Gedanke, Wind und Wolken könnten Schnee bringen. Kam es dazu, würden wir die Orientierung verlieren, und falls wir keinen Unterschlupf fanden, würde die Frage, ob und wann wir einen Zug erreichten, meine geringste Sorge sein.
    Mit dem unguten Gefühl, dass wir sehr bald noch tiefer in der Scheiße sitzen würden, machte ich in einer natürlichen Senke Halt und stemmte mich mit dem Rücken gegen den Schnee, damit eine Grube entstand, in der wir vor dem Wind geschützt waren. Oben in den Grubenrand kratzte ich eine Kerbe, die mir als Nordpfeil
    dienen sollte, bevor der Polarstern wieder verschwand.
    Tom schloss zu mir auf, als ich mich mit meinen behandschuhten Händen eingrub. Ich erwartete, dass er meine Nähe suchen würde, aber als ich mich umdrehte, pinkelte er gerade, und ich sah die Flüssigkeit und den Dampf sofort im Wind davontreiben. Er hätte seine warme Körperflüssigkeit unbedingt in sich behalten sollen, aber für diese Ermahnung war es nun zu spät. Das Problem dabei ist, dass man Körperwärme verliert und starken Durst bekommt. Wird keine heiße Flüssigkeit zugeführt, beginnt ein Teufelskreis, weil die Kerntemperatur des Körpers durch Austrocknung sinkt. Fällt die Kerntemperatur unter 28,8° Celsius, stirbt der Betreffende.
    Inzwischen war Tom fertig. Er steckte seine Hände wieder in die Jackentaschen, machte noch ein paar Schritte, drehte sich halb zur Seite und ließ sich mit dem Hintern voraus in die Grube fallen.
    Der Wind pfiff heulend über den Rand hinweg, als blase Äolus persönlich über eine große Flasche, und bestäubte unsere Schultern und Rücken mit Schnee. Der Pelzrand von Toms Kapuze hob sich mir entgegen, als ich mich neben ihn gleiten ließ.
    Ich wusste, was er fragen wollte.
    »Jetzt dauert’s nicht mehr lange, Kumpel«, kam ich ihm zuvor. »Es ist ein bisschen weiter, als ich dachte, aber wir rasten hier. Du sagst mir, wenn dir kalt wird, und dann gehen wir weiter, okay?«
    Die Kapuze machte eine Bewegung, die ich für ein Nicken hielt. Er zog seine Knie bis zur Brust hoch und
    ließ seine Stirn darauf ruhen.
    Ich zog meine Handschuhe mit den Zähnen aus und behielt sie dazwischen, während ich die Ohrenklappen meiner Mütze fester verknotete und dann den Reißverschluss von Toms Parka etwas aufzog, damit er genug Luft bekam, aber trotzdem seine Körperwärme bewahrte. Dann stand ich mit dem Rücken zum Wind auf, öffnete den Reißverschluss meiner Jeans, steckte meine Klamotten alle wieder richtig hinein und stopfte zuletzt die schweren nassen Jeans oben in meine Stiefel. In feuchten, am Körper klebenden Sachen war das eine frostige, unbequeme Arbeit, die sich jedoch lohnte. Natürlich hatte ich dabei Körperwärme verloren, aber ich fühlte mich immer viel wohler, wenn ich meine Klamotten in Ordnung gebracht hatte.
    Als ich mich eben wieder in die Grube setzen wollte, sah ich, wie Tom seine Hand mit etwas Schnee an den Mund führte. Ich packte seinen Arm und schüttelte ihm den Schnee aus der Hand. »Hier wird kein Schnee gegessen, Kumpel.«
    Ich hatte keine Lust, mit langen Erklärungen Energie zu vergeuden. Schnee verbraucht nicht nur kostbare Körperwärme, wenn er im Mund schmilzt, sondern kühlt den Körper auch innerlich ab und setzt die Temperatur lebenswichtiger Organe herab. Trotzdem würde er Flüssigkeit brauchen. Ich zog meine Handschuhe wieder an und griff mir eine Hand voll Schnee, die ich Tom erst gab, nachdem ich sie zu einem Schneeball zusammengepresst hatte. »Den kannst du lutschen. Aber nicht essen, okay?«
    Ich sah zum Himmel auf. Die Wolkendecke war inzwischen fast ganz geschlossen.
    Tom verlor bald das Interesse an dem Schneeball und hockte wieder da wie ein Fötus: Knie bis zur Brust hochgezogen, Hände in den Jackentaschen vergraben, Kopf gesenkt. Sein Körper begann zu zittern, und ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie ihm zu Mute war. Auch ich hatte schon schönere Ausflüge gemacht.
    Da wir jetzt außerhalb der Gefahrenzone rasteten, schien der richtige Zeitpunkt für ein paar Fragen gekommen zu sein. Ich hoffte, dass sie mithelfen würden, Tom von der Scheiße abzulenken, in der wir steckten. Außerdem brauchte ich dringend ein paar Informationen.
    »Warum hast du mir nicht gesagt, dass du Valentin kennst? Ich weiß, dass du

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