Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
Sternen erhoben, obwohl Tom keine Ahnung hatte, welchen er suchte. Er begann vor Kälte zu zittern.
»Nicht weit, Tom. Nur ein paar Stunden. Wenn wir’s richtig anfangen, sitzen wir bald in einem schön warmen Zugabteil.«
Wozu sollte ich ihm jetzt die Wahrheit sagen? Bisher hatte ich mir auch nicht die Mühe gemacht, es zu tun. »Kann’s losgehen?«
Er hustete wie ein Tb-Patient einen Rest Ziegelstaub aus. »Yeah, meinetwegen schon.«
Ich ging auf der Straße weiter, und Tom folgte mir. Schon nach wenigen 100 Metern erreichten wir einen Waldrand, der sich ungefähr 15 Meter entfernt links der Straße hinzog. Ich hielt darauf zu und hinterließ in dem knietiefen Schnee, der mir manchmal bis zu den Hüften reichte, lachhaft deutliche Spuren. Aber die störten mich nicht. Wozu sich Sorgen über Dinge machen, die nicht zu ändern sind?
Ich musste warten, bis Tom zu mir aufgeschlossen hatte. Unser Tempo würde nicht atemberaubend sein. Wollten wir zusammenbleiben, bestimmte der Langsamere unsere Geschwindigkeit. Ich überlegte, ob ich aus Tannenzweigen, die ich uns unter die Stiefel band, Schneeschuhe improvisieren sollte, kam aber rasch wieder davon ab. Diese Dinger sehen auf dem Papier gut aus, aber ihre Herstellung ist nachts verdammt schwierig und bloß Zeitvergeudung.
Während ich wartete, sah ich zum Nachthimmel auf. Dünne Wolkenfetzen zogen rasend schnell über uns hinweg.
Als Tom heran war, gönnte ich ihm eine Minute Pause, bevor wir weiterstapften. Ich wollte freies Gelände erreichen, um dann dem Polarstern zu folgen und querfeldein zu marschieren. Auf diese Weise würden wir auf unserem Marsch nach Norden weiten Abstand von der Computerzentrale halten, aus der ich Tom befreit hatte.
Am Ende des Wäldchens betrug die Sichtweite im Sternenlicht 50 bis 60 Meter. Die verschneite Landschaft vor uns war weiß, ging aber rasch in Grautöne über und wirkte dann sogar schwarz. Halblinks voraus konnte ich in mittlerer Entfernung den schwachen Feuerschein des Zielobjekts sehen.
Ich spürte die Kälte auf meiner Haut brennen, als ich erneut zum Himmel aufsah. Tom kam herangeschlurft, stand knietief im Schnee und rückte so dicht an mich heran, dass seine Atemwolke sich mit meiner vermischte, bevor beide vom Wind fortgetragen wurden. Um etwas abzukühlen, hatte er seine Kapuze wieder zurückgeschlagen. Ich schlug sie hoch und versetzte ihm einen Klaps auf den Kopf. »Mach das nicht, dabei verlierst du nur alle Wärme, die du gerade erzeugt hast.«
Er zog den Pelz wieder enger um sein Gesicht.
Ich versuchte einen markanten Punkt am nördlichen
Horizont zu finden, aber dafür war es zu dunkel. Die nächstbeste Lösung bestand daraus, sich einen Leitstern zu suchen, der unterhalb des Polarsterns dicht über dem Horizont stand, und darauf zuzuhalten - das war einfacher, als ständig zum Himmel aufsehen zu müssen. Ich fand einen, der nicht übermäßig hell, aber doch brauchbar war.
»Fertig?«
Die Kapuze bewegte sich, und das Material raschelte, als irgendwo dort drinnen ein Kopf zustimmend nickte.
Wir marschierten nach Norden weiter. Als einzig Positives fiel mir die Tatsache auf, dass die Schmerzen in meinem Hintern wie weggeblasen waren. Aber das lag vielleicht daran, dass es noch viel kälter war, als ich bisher vermutet hatte.
43
Die Äcker unter der Schneedecke waren umgepflügt, deshalb rutschten und stolperten wir ständig über aufgewölbte, hart gefrorene Schollen. Ich merkte, dass ich am besten vorankam, wenn ich die Füße kaum hob und so durch den Schnee pflügte. Ich wurde der Eisbrecher, und Tom folgte in meinem Kielwasser; mir war alles recht, was dazu beitrug, dass er schneller vorankam.
Die anfänglichen Wolkenschleier wurden jetzt dichter und verdeckten immer häufiger meinen Leitstern. Auch der Polarstern verschwand hinter Wolken, tauchte wieder auf und wurde erneut unsichtbar.
Tom hing ungefähr zehn Meter zurück, hatte seine Hände in den Jackentaschen vergraben, hielt den Kopf gesenkt. Während die Wolken über uns dichter und schneller wurden, blieb uns nichts anderes übrig, als weiter nach Norden zu stapfen.
Nach ungefähr einer Stunde begann der Wind aufzufrischen, ließ mein Gesicht brennen und zerrte an meiner Daunenjacke. Es wurde Zeit, die Bänder der Ohrenklappen meiner Pelzmütze unter meinem Kinn zuzubinden.
Ging die Orientierung verloren, blieb mir nichts anderes übrig, als in vermeintlich gerader Linie weiterzumarschieren - bis das nächste Wolkenloch mir dann
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