Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
Staat in völliges Chaos zu stürzen. Gas-, Wasser- und
Stromversorgung ließen sich durch Infiltration ihrer Steuercomputer lahm legen. Zivile und militärische Nachrichtenverbindungen konnten gestört werden. Die Arbeit der Polizei ließ sich so blockieren, dass ein Chaos unvermeidlich war. Scheiße, wer brauchte heutzutage 401
noch Armeen?
Die Hacker waren selbst in die Computer streng
geheimer militärischer Dienststellen eingedrungen, die auf Datensicherheit spezialisiert waren. Im Space and Naval Warfare Systems Command (Spawar) in San
Diego, Kalifornien, das die Schlüsselunterlagen der U.S.
Navy erstellte und verwaltete, war ein Techniker auf das Problem aufmerksam geworden, als ein Ausdruck
ungewöhnlich lange dauerte. Das
Überwachungsprotokoll zeigte, dass diese Datei aus der Druckerwarteschlange entfernt, an einen Internet-Server in Moskau verschickt und von dort nach San Diego
zurückgeschickt worden war. Über den Inhalt des
gestohlenen Dokuments war nichts bekannt, aber Spawar arbeitete nicht nur für die U.S. Navy, sondern auch fürs Marine Corps und mehrere Bundesbehörden.
Sicherheitsexperten hatten den Verdacht, mehrere frühere Infiltrationen seien unentdeckt geblieben. In dem Artikel hieß es weiter, Präsident Clinton habe außerplanmäßige Mittel in Höhe von 600 Millionen Dollar zur
Bekämpfung der durch »Moonlight Maze«
aufgeworfenen Probleme angefordert, aber dieser Betrag werde voraussichtlich nicht reichen, weil nicht nur China, Libyen und der Irak, sondern auch bestimmte, reichlich mit Geld ausgestattete Terrororganisationen die Fähigkeit entwickelten, IT-Kriege zu führen, wie ein Sprecher des Weißen Hauses bestätigte. Man brauchte nicht viel Fantasie, um sich die Schäden vorzustellen, die Osama Bin Laden und seine Leute anrichten konnten, sobald sie diese Angriffstechnik beherrschten. Was die russischen 402
Hackerangriffe betraf, konnte hinter ihnen ohne weiteres die Maliskija stehen.
Ich öffnete die nächste Datei mit einem Doppelklick.
Was auf dem Bildschirm erschien, bestätigte die
Meldung von einem Hackerangriff auf Spawar in San Diego. Die Sunday Times wusste vielleicht nicht, was die gestohlene Datei enthalten hatte, aber ich sah sie jetzt vor mir. Unter dem Symbol des US-Marinenachrichtendiensts waren etwa 50 Codewörter aufgeführt, die Funkfrequenzen bezeichneten.
Liv kam mit Tee und Sandwichs zurück und setzte sich mir gegenüber.
»Haben Sie beide Dateien gelesen?«
Ich nickte, während ich die Anwendung schloss und auf die Taste drückte, um die Diskette auszuwerfen. Liv beugte sich über den Tisch und streckte eine Hand danach aus. »Nick, wenn Sie wollen, können Sie
mithelfen, das zu verhindern.«
Ich gab ihr die Diskette zurück und fuhr den Laptop herunter, um ihn auszuschalten, als sie weitersprach.
»Nicht nur die russische Regierung kauft der Maliskija solche Informationen ab. Das kann jeder, der genügend Geld hat.«
Val hatte offenbar genügend, sonst hätte ich diese Codeliste nicht gelesen.
»Wie ich bereits gesagt habe, Nick: Stellen Sie sich die Folgen vor, wenn diese Leute es schaffen, in Echelon einzudringen und ihre Erkenntnisse zu verwerten, auch ohne Informationen weiterzuverkaufen. Sie sind schon fast in der Lage, Staaten wie Großbritannien oder die 403
USA durch ihr Unternehmen Moonlight Maze lahm zu
legen; durch Echelon erhalten sie weltweit vollständigen und unbeschränkten Zugriff auf staatliche, militärische und geschäftliche Informationen … Aber Sie können das verhindern, Nick, wenn Sie nur wollen.« Sie machte eine Pause und sah mir in die Augen.
Ich schob ihr den Aktenkoffer wieder über den Tisch.
Liv hatte Recht. Sagte sie die Wahrheit, konnte ich ihr Angebot aus Gewissensgründen nicht zurückweisen. Die Vorstellung, ständig von Maschinen belauscht zu werden, erinnerte sehr an Orwells 1984, aber scheiß drauf, mir war’s doch lieber, wenn die Informationen bei den Vertragsstaaten blieben, als jedem hergelaufenen Kerl mit einem dicken Scheckbuch zur Verfügung zu stehen.
Und mit dem Ausspionieren militärischer Geheimnisse musste Schluss sein. Ob jemand sich Informationen über die neuesten Luft-Boden-Raketen oder sonst was
verschaffte, war mir scheißegal. Mir ging es um
Menschenleben – auch um mein eigenes. Ich hatte schon genügend missglückte Unternehmen mitgemacht, bei
denen Kameraden wegen verratener
Geheiminformationen gefallen waren. Konnte ich das verhindern und noch dazu einen
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