Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
hohen
Sendemasten beherrscht, die an den Eiffelturm
erinnerten; ihre Spitzen verschwanden in den tief hängenden Wolken, und auf allen Seiten blinkten rote Warnleuchten. In Lahti herrschte starker Auto- und Fußgängerverkehr. Die Stadt war ein
Wintersportzentrum: Über den Häusern ragte eine
Skisprungschanze auf, und als wir übers Pflaster der Haupteinkaufsstraße holperten, sah ich, dass sogar Rentner statt Spazierstöcken Langlaufstöcke benutzten.
Die Einwohner von Lahti hatten offenbar eine
Vorliebe für Beton und Stahl. Traditionellen Holzhäusern mit einem oder zwei Rentieren vor dem Haus zogen sie neueste Saabs, Geländewagen und glitzernde
Weihnachtsdekorationen vor. Wir bogen am Stadtplatz links ab und kamen an einem strahlend hell beleuchteten Markt vorbei, auf dem Dampf über den Segeltuch- und Nylondächern der vielen Stände aufstieg. Die für einen ganzen Tag im Freien ausgerüsteten Händler sahen wie Astronauten aus.
Gleich danach erreichten wir das Hotel Alexi. Wir bogen nach links über den Gehsteig ab und hielten vor einem Garagentor, das sich sofort zu öffnen begann. Eine 210
Gruppe von Müttern, die ihre Kinder in Sportwagen schoben, gingen auf der Straße hinter dem Mercedes vorbei und kehrten wieder auf den Gehsteig zurück.
Wir fuhren ziemlich schnell eine steile Betonrampe in eine große, schlecht beleuchtete Tiefgarage hinunter. Wo Eis und Schnee von den bereits dort parkenden Autos geschmolzen waren, standen Pfützen auf dem
Garagenboden, und fast jeder Wagen hatte Skier auf dem Dach.
Bürste ließ den Mercedes auf der Suche nach einem freien Platz langsam durch die Tiefgarage rollen. Tom saß jetzt aufrecht da, hatte seine Ohrhörer
herausgenommen und sah sich mit großen Augen um.
»Wie in einem dieser Spionagefilme, Nick, nicht wahr?«
Sein Tonfall veränderte sich, als ihm bewusst wurde, was er gesagt hatte. »Aber das ist in Ordnung, stimmt’s? Ich meine, du weißt, was hier vorgeht, nicht wahr?«
Ich nickte, obwohl ich mir meiner Sache keineswegs sicher war.
Nachdem Bürste vorwärts eingeparkt hatte, stellte er den Motor ab und drehte sich nach uns um. »Bitte Ihre Telefone, Piepser und Notebooks mit E-Mail-Funktion«, sagte er in seinem stark akzentgefärbtem Englisch. »Die müssen Sie hier im Wagen lassen. Keine Sorge, Sie bekommen sie zurück.« Er lächelte mit nicht besonders guten Zähnen.
Ich erklärte ihm, dass wir den Anweisungen
entsprechend keine Geräte dieser Art mitgebracht hatten.
Er lächelte nochmals. »Gut. Vielen Dank, vielen
Dank.«
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Hinter uns sprang der Kofferraumdeckel auf, als
Bürste den kleinen Hebel neben seinem Sitz hochzog. Ich stieg aus, und Tom folgte mir, als eben ein schwarzer Mercedes-Geländewagen – das alte kastenförmige
Modell – langsam auf uns zukam. Die Scheinwerfer
blendeten mich so, dass ich nicht erkennen konnte, wer am Steuer saß.
Ich sah zu Bürste hinüber, der nicht im Geringsten besorgt zu sein schien. Der Geländewagen hielt mit laufendem Motor. Durch seine dunkel getönten Scheiben konnte ich nur die Fahrerin erkennen.
Sie sah völlig anders aus als bei unserem letzten Treffen. In London hätte sie eine reiche Italienerin sein können; jetzt trug sie einen dicken grauen
Norwegerpullover mit bizarren, wundervollen Mustern, dessen Rollkragen ihr bis unters Kinn reichte. Eine tibetanische Mütze mit Ohrenklappen bedeckte den
größten Teil ihres Kopfs und ließ nur wenige blonde Haarsträhnen sehen.
Als das Fahrerfenster nach unten glitt, wurde ich mit einem durchaus freundlichen, aber geschäftsmäßigen Lächeln begrüßt. »Bitte steigen Sie rasch hinten ein.« Sie fragte Bürste etwas auf Finnisch, und er schüttelte den Kopf, während wir mit unseren Reisetaschen hinten einstiegen. Im Auto war es kalt; Liv musste bei
abgestelltem Motor und ohne Heizung auf uns gewartet haben.
»Bitte machen Sie sich auf Ihren Sitzen klein und halten Sie sich von den Fenstern fern.«
Tom sah zu mir hinüber, als hoffe er auf eine
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Erklärung. Ich zuckte mit den Schultern. »Später, Kumpel.«
Als ich wieder nach vorn blickte, sah ich, dass Liv mich im Rückspiegel beobachtete. Sie lächelte mir zu.
»Willkommen in Finnland.«
Dann drehte sie sich nach Tom um. »Mein Name ist
Liv. Ich freue mich sehr, Sie kennen zu lernen.«
Tom nickte sichtlich verlegen. Sie schüchterte ihn offenbar ebenso ein wie mich. Als Liv wieder nach vorn sah, betrachtete er rasch sein Spiegelbild in der getönten
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