Nick Stone - 04 - Eingekreist
Himmel aufzuziehen und
alles zu verdüstern. Ich erinnerte mich wieder an all die Monate, die ich schon im Einsatz im Dschungel
verbracht hatte. Man verliert zehn bis zwölf Kilo
Gewicht, und wegen des Mangels an Sonnenlicht wird
die Haut blass und feucht wie eine rohe Fritte, aber mir gefiel es dort trotzdem. Ich empfand immer gewaltige Vorfreude, wenn ich den Dschungel betrat, denn aus
taktischer Sicht ist er ein fantastisches Operationsgebiet.
Alles, was man braucht, ist dort zu finden: Unterkunft, Nahrung und vor allem Wasser. Gewöhnungsbedürftig
sind eigentlich nur der Regen, die Insektenstiche und die fünfundneunzig Prozent Luftfeuchtigkeit.
Aaron beugte sich vor und spähte durch die
Windschutzscheibe nach oben. »Sehen Sie, schon geht’s 196
los – genau pünktlich.«
Die grauen Wolken waren verschwunden, durch
schwärzere verdrängt. Ich wusste, was das bedeutete, und tatsächlich öffnete der Himmel plötzlich seine
Schleusen. Das war, als würde eine Badewanne über uns ausgeleert. Wir kurbelten hastig unsere Fenster hoch, ließen aber einen breiten Spalt offen, weil die
Windschutzscheibe bereits innen anlief. Aaron schaltete den Defroster ein, und sein Arbeitsgeräusch ging im Trommeln des Regens auf dem Wagendach unter.
Blitze zuckten herab und tauchten den Dschungel in
grelles bläuliches Licht. Ein gewaltiger Donnerschlag ließ den Mazda erzittern. Auf dem Parkplatz an der
Schleuse musste er bei etlichen Autos die Alarmanlage ausgelöst haben.
Aaron setzte sein Tempo auf
Fußgängergeschwindigkeit herab, während die hektisch arbeitenden Scheibenwischer links und rechts an den Rahmen der Windschutzscheibe klatschten, aber
praktisch wirkungslos blieben, weil es in Strömen goss und die Wassermassen vom Asphalt in die Höhe
spritzten. Wasser drang durch das einen Spaltweit
geöffnete Seitenfenster herein und traf mich an Gesicht und Schulter.
Ich musste schreien, um das Trommeln auf dem
Wagendach zu übertönen. »Führt diese Straße
geradewegs zu Charlies Haus?«
Aaron war damit beschäftigt, die Innenseite der
Windschutzscheibe abzuwischen. »Nein, nein – das hier ist eine Ringstraße, nur die Zufahrt zu einer
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Trafostation. Die Privatstraße zu seinem Haus zweigt davon ab. Ich dachte, ich könnte Sie an der Abzweigung absetzen, sonst wüsste ich nicht, wo ich wenden
könnte.«
Das schien mir ein sehr vernünftiger Vorschlag zu
sein. »Wie weit ist es von der Abzweigung bis zum
Haus?«
»Nach den Luftaufnahmen zu urteilen ungefähr eine
Meile, vielleicht etwas mehr. Sie brauchen nur der
Straße zu folgen.«
Die Sintflut hielt an, während wir bergauf
weiterkrochen. Ich beugte mich nach vorn, tastete unter meinem Sitz herum und versuchte etwas zu finden, mit dem ich meine Dokumente schützen konnte. Der Teufel sollte mich holen, wenn ich sie bei Aaron zurückließ; wie Schlüsselunterlagen, die ständig am Körper getragen werden mussten, würden sie mich überallhin begleiten.
Aaron sah kurz zu mir hinüber. »Was brauchen Sie?«
Er lehnte sich weit nach vorn, als könnte er so besser durch die Regenwand sehen, während wir mit etwa zehn Meilen in der Stunde dahinkrochen.
Ich sagte ihm, was ich suchte.
»Hinten finden Sie bestimmt was. Dauert jetzt nicht mehr lange, nur noch zwei bis drei Meilen.«
Das war mir nur recht. Ich lehnte mich zurück und
ließ mich vom Prasseln des Regens hypnotisieren.
Wir folgten der Straße bis zu einer weiten
Rechtskurve, in der Aaron am linken Straßenrand hielt.
Er deutete nach vorn. »Das ist die Privatstraße, die zum Haus führt. Wie gesagt eine Meile, vielleicht anderthalb.
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Die Leute erzählen, dass Charlie von dort oben sehen kann, wie die Sonne über der Karibik aufgeht und über dem Pazifik untergeht. Was soll ich jetzt tun?«
»Sie bleiben erst mal hier stehen und lassen mich
hinten nachsehen.«
Ich stieg aus und zog meine Bomberjacke wieder an.
Die Sichtweite betrug höchstens zwanzig Meter. Regen trommelte auf meinen Kopf und meine Schultern.
Ich ging nach hinten und öffnete die Heckklappe des Glasfaseraufbaus. Schon auf halbem Weg war ich bis auf die Haut durchnässt. Ich konnte von Glück sagen, dass ich mich in einem Land befand, in dem dieser Zustand nicht auch bedeutete, dass man sich den Arsch abfror.
Ich wühlte hinten im Wagen herum. An der
Vorderwand des Aufbaus standen vier mit
Spanngummis befestigte olivgrüne Benzinkanister aus Beständen der U.S. Army. Wenigstens würden wir
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