Nick Stone - 04 - Eingekreist
einen einzigen Schuss abgegeben zu haben, kontrolliert das kommunistische China jetzt in unserem Hinterhof eine der wichtigsten Handelsrouten der Vereinigten Staaten. Nicht nur das, sondern wir haben auch zugelassen, dass ausgerechnet der Staat, der die FARC in ihrem Krieg unterstützen könnte, die Kontrolle über den Kanal erlangt.«
Ich begriff, was Aaron vorhin gemeint hatte. »Kommen Sie, der Vertrag ist nur an eine Hongkonger Firma gegangen. Die betreibt weltweit Häfen.«
Ihre Kinnlinie wurde energischer, als sie die Zähne zusammenbiss. »Ach, wirklich? Jedenfalls ist Peking mit zehn Prozent an dieser Firma beteiligt, die jetzt die Häfen an beiden Kanalausgängen und einige unserer ehemaligen Militäreinrichtungen betreibt. In der Praxis kontrolliert das kommunistische China nun vierzehn Prozent des gesamten US-Handels, Nick — können Sie sich das vorstellen, dass wir das zugelassen haben? Ein Land, das die Vereinigten Staaten offen als Feind Nummer eins bezeichnet? China hat die strategische Bedeutung des Panamakanals schon im Jahr 1919 erkannt.«
Sie schüttelte verbittert dem Kopf. »Aaron hat Recht: In diesen Punkten stimme ich George zu, obwohl er politisch immer rechts von Attila dem Hunnenkönig gestanden hat.«
Ich begann einzusehen, dass ihre Befürchtungen vielleicht nicht ganz unberechtigt waren. Ich würde den Hafen von Dover nie wieder mit denselben Augen wie früher sehen.
»Charlie hat zu den Leuten gehört, die den Deal mit den Chinesen vorangetrieben haben. Ich frage mich, was er dafür bekommen hat — darf er die Häfen für seine Geschäfte benutzen, ohne Kontrollen befürchten zu müssen? Und wissen Sie was? Im Norden herrscht darüber weitgehend Ahnungslosigkeit. Für Amerika ist der Termin für die Übergabe der Kanalzone irgendwie überraschend gekommen. Und Clinton? Der hat nichts, aber auch gar nichts unternommen.«
Sie schien nicht allzu viel für demokratische Präsidenten übrig zu haben.
»Die Gefahr für die Vereinigten Staaten ist real, Nick. Tatsache ist, dass wir in einen südamerikanischen Krieg hineingezogen werden, weil wir zugelassen haben, dass China sich den Kanal unter den Nagel reißt. Die Chinesen, nicht wir, kontrollieren jetzt eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt — und sie haben dafür keinen einzigen Cent ausgeben müssen. Es ist unser Schläger, unser Ball, mit dem sie da spielen, verdammt noch mal!«
Vor uns im Dunkel tauchten stecknadelgroße Lichtpunkte auf: Wir näherten uns Chepo. Ich
betrachtete Carrie forschend und versuchte, mir über sie klar zu werden, während wir über die Makadamstraße weiterholperten. Sie sah mehrmals kurz zu mir herüber, als erwarte sie irgendeine Reaktion.
»Das ist der Punkt, an dem ich ins Spiel komme«, sagte ich schließlich. »Ich bin hier, um Charlie daran zu hindern, der FARC ein Steuersystem für Flugabwehrraketen zu liefern, die sie gegen US- Hubschrauber einsetzen könnten.«
»Hey, dann sind Sie also einer von den guten Jungs.« Sie begann wieder zu lächeln.
»So komme ich mir nicht vor.« Ich zögerte. »Ihr Dad will, dass ich Charlies Sohn liquidiere.«
Carrie bremste ruckartig, sodass der Mazda auf dem Kies schleudernd zum Stehen kam. Im roten Schein der Instrumentenbeleuchtung konnte ich jetzt ihr ganzes Gesicht sehen, aber nicht erkennen, ob aus ihrem Blick Entsetzen oder Abscheu sprach. Vielleicht eine Mischung aus beidem. Daraus wurde sehr rasch eine
Mischung aus Verwirrung und der Erkenntnis, dass ich mit der Wahrheit so zurückhaltend umgegangen war wie sie selbst.
»Das konnte ich Ihnen aus Sicherheitsgründen nicht erzählen.« Ich hätte den Mund halten sollen, aber das gelang mir nicht; die Worte sprudelten wie von selbst hervor. »Und weil ich mich deswegen schäme. Aber ich muss es trotzdem tun. Ich bin verzweifelt — genau wie Sie.« Ich sah über die mit Wasser gefüllten Schlaglöcher hinweg, die im Scheinwerferlicht vor uns lagen. »Er heißt Michael. Er ist einer von Aarons Studenten auf der Universität.«
Carrie sackte auf ihrem Sitz zusammen. »An der Schleuse . Aaron hat mir erzählt, dass er .«
»Richtig, er ist nur ein paar Jahre älter als Luz.«
Sie äußerte sich nicht dazu. Auch sie starrte jetzt nach vorn, wo das Wasser in den Schlaglöchern im Scheinwerferlicht glitzerte.
»So, nun wissen Sie leider alles, was ich weiß.«
Noch immer nichts. Für mich wurde es Zeit, die Klappe zu halten und einfach die beleuchtete schlammige Fahrbahn anzustarren, als
Weitere Kostenlose Bücher