Nick Stone - 04 - Eingekreist
herstellen.«
38
Ich kniete neben Carrie nieder. »Dieser Bayano, von dem du gesprochen hast, ist das ein Fluss? Haben sie deswegen ein Boot?«
Das starke Schmerzmittel begann zu wirken. »Banjo?«
»Nein, nein — wo sie gestern Abend hergekommen sind. Ist das ein Fluss?«
Sie nickte, war sichtlich bemüht, mir aufmerksam zuzuhören. »Oh, der Bayano? Östlich von hier, nicht weit weg.«
»Weißt du, wo genau sie sind?«
»Nein, aber . aber .«
Carrie machte mir ein Zeichen, ich solle mich tiefer über sie beugen. Als sie dann flüsternd sprach, hörte ich ihr an, wie mühsam sie sich beherrschte, um nicht wieder in Tränen auszubrechen. »Ist Aaron nebenan?«
Ich schüttelte den Kopf. »Draußen im Mazda.«
Sie hüstelte, dann begann sie ganz leise zu weinen. Ich wusste nicht, wie ich sie trösten sollte; mein Kopf war wie leer gefegt.
»Grandpa! Grandpa! Du musst uns helfen ... Diese Männer haben uns überfallen, Mom ist verletzt, und Dad ist fort, um die Polizei zu holen!« Luz steigerte sich in eine Art Hysterie hinein. Ich stand auf und ging zu ihr hinüber. »Kümmere dich um deine Mom. Los, mach schon.«
In dem fünfzehn mal fünfzehn Zentimeter großen Kasten in der Bildschirmmitte hatte ich Georges Kopf und Schultern vor mir. Wie gestern Abend sprang das Bild etwas und war an den Rändern verschwommen, aber sein dunkles Jackett mit weißem Hemd und Krawatte war deutlich zu erkennen. Ich steckte die Hör- Sprech-Garnitur ein und setzte sie auf, damit nichts aus den blechern klingenden Einbaulautsprechern drang. Bisher hatte Luz von dem ganzen Scheiß nichts mitbekommen; daran sollte sich auch jetzt nichts ändern. »Wer sind Sie?« Trotz des Knisterns und Knackens klang seine Stimme ruhig und beherrscht.
»Nick. Endlich ein Gesicht zu diesem Namen, was?«
»Was können Sie mir über den Zustand meiner Tochter sagen?« Sein gut geschnittenes Gesicht mit dem quadratischen Kinn verriet keinerlei Gefühlsregung.
»Sie hat sich den linken Oberschenkel gebrochen, aber das wird wieder. Sie müssen dafür sorgen, dass sie aus Chepo abgeholt wird. Lassen Sie sie dort beim Friedenskorps abholen. Ich bringe sie .«
»Nein. Bringen Sie die beiden in die US-Botschaft. Wo ist Aaron?« Falls er besorgt war, ließ er es sich nicht anmerken.
Ich drehte mich um und sah Luz, die sich um Carrie bemühte, aber in Hörweite war. Ich wandte mich wieder dem Monitor zu und murmelte: »Tot.«
Ich beobachtete ihn scharf, aber sein Gesichtsausdruck veränderte sich so wenig wie seine Stimme. »Ich wiederhole, bringen Sie die beiden in die Botschaft, alles Weitere arrangiere ich.«
Ich schüttelte langsam den Kopf und blickte in die Kamera, während er mich seinerseits ausdruckslos anstarrte. »Ich weiß, was gespielt wird, George. Und Choi weiß es auch. Sie dürfen nicht zulassen, dass die Ocaso versenkt wird. Wissen Sie, wie viele Leute an Bord sein werden? Leute wie Carrie, wie Luz — wirkliche Menschen. Sie müssen dieses Unternehmen stoppen.«
Georges starrer Gesichtsausdruck veränderte sich erst, als er tief Luft holte. »Hören Sie, mein Junge, mischen Sie sich nicht in etwas ein, von dem Sie nichts verstehen. Tun Sie einfach, was ich Ihnen sage. Sie bringen meine Tochter und Luz in die Botschaft — und zwar sofort!«
Er hatte nichts geleugnet. Er hatte nicht gefragt: »Was ist die Ocaso?«
Ich durfte mich nicht einschüchtern lassen. »Stoppen Sie dieses Unternehmen, George, sonst wende ich mich an alle, die mir zuhören wollen. Blasen Sie’s ab, halte ich mein Leben lang dicht. So einfach ist das.«
»Ausgeschlossen, mein Junge.« Er beugte sich nach vorn, als wolle er näher heranrücken, um mich einzuschüchtern. Sein Gesicht füllte den größten Teil des Quadrats aus. »Wenden Sie sich meinetwegen an jeden, den Sie erreichen können. Niemand wird Ihnen zuhören. An dieser Stelle sind zu viele Leute beteiligt, zu viele Interessen. Sie begeben sich auf ein Gebiet, von dem Sie keine Ahnung haben.«
Er lehnte sich zurück, sodass Hemd und Krawatte wieder zu sehen waren. »Passen Sie gut auf, ich sage Ihnen, was einfach ist. Sie bringen die beiden in die Botschaft und warten dort. Ich sorge sogar dafür, dass Sie eine Belohnung bekommen, wenn das hilft.« Er machte eine Pause, um sicherzugehen, dass ich die Message wirklich verstand. »Falls nicht? Dann sieht Ihre Zukunft beschissen aus, das können Sie mir glauben. Und jetzt spielen Sie einfach mit, bringen die beiden in die Botschaft, und
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