Nick Stone - 04 - Eingekreist
aus dem Gesicht zu wischen. »Schon gut, Baby, alles in Ordnung, wir können jetzt wieder ins Haus zurück.«
Ich stellte das Feldbett neben Carrie ab und begutachtete den Notverband an ihrem Bein. Er war nicht so gut, wie er hätte sein können; vielleicht hatte ich das Erste-Hilfe-Abzeichen doch nicht vedient. Über uns hallten rumpelnde Donnerschläge durchs Laubdach.
»Wo ist Daddy? Ist Daddy im Haus?« Luz starrte mich an. Sie blinzelte ins Lampenlicht, und ihr Gesicht war von ihren Tränen gerötet.
Ich senkte den Kopf, machte mir an dem Verband zu schaffen und war froh, dass Wetter, Entfernung und Dschungel gemeinsam verhindert hatten, dass das Echo der Feuerstöße aus den automatischen Waffen bis hierher gedrungen war. Ich wusste nicht, was zum Teufel ich antworten sollte.
»Nein, er ist weg, um die Polizei zu holen ...«
Carrie hustete, verzog ihr blasses Gesicht und drückte ihr Kind an ihre Brust. Sie starrte mich über Luz’ Kopf hinweg fragend an. Ich schloss die Augen, richtete die Stablampe auf mein Gesicht und schüttelte den Kopf.
Ihr Kopf fiel nach hinten, während sie mit krampfhaft zusammengekniffenen Augen einen leisen Schrei ausstieß. Luz’ Kopf bewegte sich auf und ab, als Carrie sich schmerzlich aufbäumte. Die Kleine versuchte ihre Mutter abzulenken, weil sie glaubte, Carrie leide nur körperliche Schmerzen. »Alles okay, Mom, Nick bringt dich ins Haus zurück. Alles okay.«
Ich hatte den Notverband inzwischen so gut wie möglich verbessert. »Luz, du musst mir jetzt helfen, deine Mom auf die Trage zu legen, okay?« Ich richtete den Lichtstrahl der Stablampe etwas zur Seite, um sie nicht zu blenden, und beobachtete ihr ängstliches Gesicht, über das der Regen lief, als sie nickte. »Gut. Dein Platz ist hinter ihrem Kopf, und wenn ich’s sage, packst du sie unter den Achseln. Ich fasse sie an den Beinen, und wir heben sie mit einem Schwung auf die Trage. Verstanden?«
Ich leuchtete mit meiner Stehlampe über Carries Kopf hinweg, während Luz sich dort hinkniete. Carrie dachte weiter an Aaron. Dieser Schmerz war weit größer als der in ihrem gebrochenen Bein. »So ist’s richtig. Jetzt schiebst du deine Arme unter ihre Achseln.« Carrie richtete sich etwas auf, um ihrer Tochter zu helfen.
Ich rammte das hintere Ende der Stablampe in den schlammigen Boden. Ihr Strahl leuchtete schräg nach oben, und auf die Streuscheibe klatschten Regentropfen. Ich kniete ebenfalls und schob Carrie einen Arm unters Kreuz und den anderen unter die Knie. »Okay, Luz, ich zähle bis drei — bist du so weit?«
Donner hallte übers Laubdach hinweg.
Eine leise, aber ernsthafte Stimme antwortete: »Ja, ich bin so weit.«
Ich sah in Carries nur schemenhaft erkennbares Gesicht. »Du weißt, dass das wieder wehtun wird, nicht wahr?«
Sie nickte, schloss die Augen, holte tief Luft.
»Eins, zwei, drei — hoch, hoch, hoch!«
Ihr Schrei gellte durch die Nacht. Luz war sichtlich erschrocken. Carrie war schneller aufgekommen, als ich gewollt hatte, aber zumindest hatten wir diese Phase nun hinter uns. Sobald sie auf der Trage lag, begann sie mit zusammengebissenen Zähnen schnell und tief zu atmen, während Luz sie zu beruhigen versuchte. »Schon gut, Mom, alles okay ... pssst!«
Ich zog die Stablampe aus dem Schlamm und legte sie neben Carries gesundes Bein, sodass sie nach oben schien und Horrorfilmschatten auf ihre Gesichter warf. »Das Schlimmste ist überstanden.«
»Alles in Ordnung, Mom. Hast du gehört? Das Schlimmste ist überstanden.«
»Luz, du packst dein Ende, hebst es ein bisschen hoch, und ich nehme das Fußende, okay?«
Sie sprang auf, stellte sich in Position und beugte dann die Knie, um mit beiden Händen die Aluminiumgriffe zu umfassen.
»Fertig? Eins, zwei, drei — hoch, hoch, hoch!«
Sobald die Trage ungefähr einen Viertelmeter über dem Boden schwebte, begann ich rückwärts durch die Vegetation zu brechen. Weitere Donnerschläge übertönten Carries Schluchzen. Luz glaubte noch immer, sie leide nur körperliche Schmerzen. »Wir sehen Daddy bald wieder. Alles okay, Mom.«
Carrie konnte sich nicht länger beherrschen. Sie schrie ihren Schmerz laut in die Nacht hinaus.
Ich sah mich immer wieder um und nahm bald das Scheinwerferlicht des Land Cruisers wahr. Wenige Schritte später waren wir im Freien.
Der Regen prasselte weiter auf uns herab, als wir Carrie in das Fahrzeug luden. »Du musst hinten bei deiner Mom bleiben und sie festhalten, damit sie nicht rausfällt, falls
Weitere Kostenlose Bücher