Nick Stone - 04 - Eingekreist
sie bereits waren. Dann sackte ich gegenüber dem Fernseher auf dem Fußboden zusammen.
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Ich vermutete, dass dieses Haus nur als zeitweilige Unterkunft für die Dauer des Jobs diente — und der Job bestand natürlich aus Planung und Vorbereitung meiner Ermordung. Zweifellos gab es irgendwo in London eine ähnliche zweite Unterkunft, in der eine weit größere Gruppe von Boys und Girls sich darauf vorbereitet hatte, die Scharfschützen auszuschalten.
Laufschuhe trat an den Fernseher, währen die beiden anderen wieder in die Garage hinausgingen. Ich beobachtete, wie er sich neben den Wasserkocher hockte und den Deckel hochklappte, um nachzusehen, ob das Teewasser reichte. Seine hellbraune Nylonjacke war hinten hochgerutscht, und ich erkannte den unteren Teil eines Halfters aus schwarzem Leder, das knapp hinter seiner rechten Hüfte am Gürtel befestigt war. Sein dunkelgrünes T-Shirt war schweißnass. Sogar der hellbraune Ledergürtel war hinten durchgeschwitzt und dunkelbraun verfärbt.
Im Hintergrund konnte ich weiter die Jungen hören, die ihren Fußball herumkickten und sich dabei laut anschrien. Ihr Tonfall veränderte sich, als einer vermutlich danebenschoss und von den anderen mit spöttischen Zurufen bedacht wurde. Meine Hände, die noch immer in den Latexhandschuhen steckten, schwollen in der Hitze an.
Laufschuhe stellte drei nicht allzu sauber aussehende Simpsons-Becher — Bart, Marge und Homer — nebeneinander auf, was mich sauer machte. Maggie fehlte in dieser Reihe. Für mich würde es offenbar keinen Tee geben. Er warf in jeden Becher einen Teebeutel, goss Milch darauf und kippte reichlich Zucker in zwei der Becher.
Von der Garage her war das Rauschen einer WC- Spülung zu hören, das lauter und dann leiser wurde, als eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Ich hörte, dass Sundance und der Fahrer miteinander sprachen, konnte aber nicht verstehen, was sie sagten.
Eine Mercedestür wurde zugeknallt, der Motor sprang an, und das Garagentor öffnete sich rumpelnd und quietschend. Eine halbe Minute später stieß der Wagen rückwärts auf die Straße hinaus und fuhr davon. Vielleicht war doch einer der Becher für mich bestimmt.
Sundance erschien an der Verbindungstür, kehrte uns den Rücken zu und beobachtete, ob das Garagentor sich richtig schloss. Als draußen Stahl auf Beton knallte, ging er zu der Sitzgruppe, warf seine grüne Bomberjacke auf die Armlehne eines Sessels und ließ nun ein durchgeschwitztes kastanienbraunes Polohemd und eine klobige 9-mm-Sig in einem Halfter sehen, das dicht hinter seiner rechten Hüfte saß. An der linken Hüfte trug er eine hellbraune Ledertasche mit drei Reservemagazinen, die von breiten Gummibändern gehalten wurden. Das weiße Licht der Deckenleuchte ließ das Messing der obersten Patronen glänzen. Ich hätte beinahe laut gelacht: drei volle Magazine allein für mich armes kleines Ding. Das war nicht nur ein Overkill, sondern erinnerte an die letzten fünf Minuten von Butch Cassidy. Woher dieser Kerl seine besten Ideen bezog, lag auf der Hand.
Er zog sein Polohemd aus, benutzte es als Handtuch, um sich den Schweiß vom Gesicht zu wischen, und ließ dabei einen mit schlimmen Narben bedeckten Rücken sehen. Zwei der Dellen waren eindeutig Schusswunden; ich erkannte sie, weil ich selbst eine hatte. Irgendjemand hatte ihn auch mit einem Messer bearbeitet: Einige der Schnitte verliefen mit Nahtspuren auf beiden Seiten kreuz und quer über den ganzen Rücken. Insgesamt hatte sein Rücken viel Ähnlichkeit mit einer Luftaufnahme des Bahnknotenpunkts Clapham.
Laufschuhe, der eben damit fertig war, die Teebeutel rauszufischen, hielt Sundance einen Becher hin. »Willst du einen?« Er sprach unverfälschten Belfaster Dialekt.
Sollte der Fahrer sich als Walliser erweisen, würden wir ein Witzbuch zusammenstellen können.
»Klar doch.« Sundance wischte sich Nacken und Schultern ab, setzte sich in den Sessel, der dem Fernseher am nächsten stand, und vermied es, seinen schweißnassen Rücken an das Velours zu lehnen, indem er aufrecht auf der Vorderkante sitzen blieb. Er nahm einen kleinen Probeschluck aus Bart, dem Becher ohne Zucker.
Er trainierte offenbar mit Hanteln, aber er hatte nicht den straffen Körper eines Bodybuilders. Er hatte den Körperbau eines Strafgefangenen, der sich aufs Gewichtheben verlegt hat: Die Ernährung in
Gefängnissen ist so schlecht, dass die Jungs, die mit Hanteln üben, zwar eine breite Brust und Muskelpakete, aber
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