Nick Stone - 04 - Eingekreist
keinen straffen, durchtrainierten Körper bekommen.
Er sah zum ersten Mal zu mir hinüber und ertappte mich dabei, wie ich seinen Rücken betrachtete. »Belfast — als Sie noch ein kleiner Rekrut waren.« Er gestattete sich ein Kichern, dann nickte er zu dem dritten Simpsons-Becher hinüber, der noch neben Laufschuhe auf dem Boden stand. »Wollen Sie auch einen Tee, F reundchen?«
Laufschuhe hielt Marge hoch.
Ich nickte. »Yeah, ich hätte gern einen, danke.«
Nun folgte eine Pause von einigen Sekunden, in der die beiden einen Blick wechselten, dann brüllten sie vor Lachen, während Laufschuhe ziemlich ungekonnt einen Cockney-Akzent imitierte: »Mönsch, Guv’nor, hätt gern
ein, danke.«
Laufschuhe setzte sich mit Homer in der Hand in den anderen Sessel und lachte weiter, während er mich verarschte. »Echt, Guv’nor, yeah, war mir recht, Cheers. Luv a duck.« So amüsierte sich zumindest einer von uns.
Laufschuhe stellte seinen Tee auf die von Sprüngen durchzogenen Bodenfliesen und zog seine Jacke aus. Er hatte offensichtlich vor kurzem eine Tätowierung durch Laser entfernen lassen; an seinem Unterarm war eine schwache rote Narbe zu sehen, aber die ausgestreckte rote Hand von Ulster war noch immer deutlich zu erkennen. Er war Mitglied der UDA (Ulster Defence Association) gewesen, war es vielleicht noch immer. Vielleicht hatten beide ihr Hanteltraining in einem Hochsicherheitstrakt absolviert.
Laufschuhes Oberarmmuskel bewegte sich unter seiner gebräunten, sommersprossigen Haut, als er hinten zwischen die Sitzpolster griff und ein Päckchen Drum hervorholte. Er legte es auf seine Knie, nahm eine Packung Rizla aus dem Päckchen und fing an, sich eine Zigarette zu drehen.
Das gefiel Sundance nicht. »Du weißt, dass er das nicht ausstehen kann — du wirst schon sehen!«
»Ja, ja, schon gut.« Das Päckchen Drum wurde zusammengefaltet und verschwand wieder hinter den Sitzpolstern.
Ich war glücklich, als ich das hörte: Der Jasager musste hierher unterwegs sein. Obwohl ich selbst nie geraucht hatte, war ich kein militanter Tabakgegner, während Frampton dafür berüchtigt war.
Mein Hintern wurde auf dem Steinboden allmählich gefühllos, deshalb veränderte ich sehr langsam meine Sitzhaltung und versuchte, dabei möglichst nicht aufzufallen. Sundance stand mit seinem Becher in der Hand auf, ging die drei Schritte bis zum Fernseher, schaltete ihn ein und drückte nacheinander die Stationstasten, bis er ein gutes Bild bekam.
Laufschuhe beugte sich interessiert nach vorn. »Die Sendung gefällt mir. Da gibt’s immer was zu lachen.« Sundance schlurfte rückwärts gehend auf seinen Platz zurück, ohne den Fernseher aus den Augen zu lassen. Die beiden ignorierten mich jetzt, als sie einer Frau zusahen, die im Studio mit einem Porzellansachverständigen über ihre Sammlung von Teetassen mit Bildern von Pekinesen sprach.
Während ich auf die Rückkehr des Mercedes wartete, konnte ich die Fußball spielenden Jungen nicht mehr hören, weil der Fernseher sie übertönte. Auf dem Bildschirm versuchte die Frau, sich nicht anmerken zu lassen, wie sauer sie war, als der Sachverständige ihr erklärte, ihr ganzes Porzellan sei nur fünfzig Pfund wert.
Wer Frampton den Spitznamen Jasager verpasst hatte, war ein Genie: Es war das einzige Wort, das er im Umgang mit seinen Vorgesetzten sagte. In der Vergangenheit hatte mich das nie gestört, weil ich nie direkt mit ihm zu tun hatte, aber das änderte sich, als er befördert wurde, um die Abteilung K im SIS (Secret Intelligence Service) zu leiten. Die Firma setzte einige ehemalige SAS-Leute wie mich, aber auch andere Leute, vielleicht sogar meine neuen Freunde hier, als inoffizielle Agenten ein, deren Existenz sie jederzeit abstreiten konnte. Geleitet wurde die Abteilung K traditionell von einem IB (Angehöriger der Intelligence Branch) aus der Elite der britischen Geheimdienste. Tatsächlich wird der gesamte SIS von IBs für IBs betrieben; dies sind die Boys und Girls, von denen wir in der Zeitung lesen — von der Universität weg angeworben, von Botschaften aus arbeitend und zur Tarnung in untergeordneter Stellung im diplomatischen Dienst beschäftigt. Ihre eigentliche Arbeit beginnt erst um 18 Uhr, wenn gewöhnliche Diplomaten die Runde von einer Cocktailparty zur anderen machen und die IBs anfangen, Informationen zu sammeln, falsche Informationen auszustreuen und Informanten anzuwerben.
Später erscheinen dann mindere Gestalten wie ich auf der Bildfläche, um
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