Nick Stone - 04 - Eingekreist
Körper wegzog. »So was kommt vor. Fühlen sie sich wieder besser?«
Ich schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können. »Mir fehlt nichts, danke.«
»Okay, dann sehen wir uns morgen. Gute Nacht.«
»Yeah ... äh ... danke für das Wasser.«
Sie ging in den schwach beleuchteten Computerraum zurück und schloss die Tür hinter sich. »Bitte sehr.«
Ich sah auf meine Baby-G. 0.46 Uhr. Ich hatte über vierzehn Stunden wie ein Toter geschlafen. Ich kam langsam auf die Beine, machte Kniebeugen, die das Kribbeln allmählich verschwinden ließen, und trank dabei noch etwas Wasser. Dann riss ich die Plastikhülle von der Wolldecke, streckte mich auf dem Feldbett aus und deckte mich zu. Meine Benommenheit kam bestimmt von dem Drogencocktail, den ich geschluckte hatte. Dihydrocodein hatte solche Nebenwirkungen.
Ich wälzte mich schlaflos herum und faltete schließlich meine Jacke als Kopfkissenersatz zusammen, aber auch das nützte nichts. Mein Körper sagte mir, dass ich noch Schlaf brauche, aber ich fürchtete mich davor, die Augen zu schließen.
Als ich eine halbe Stunde später auf die Baby-G sah, war es 3.18 Uhr. So viel zu meinem Vorsatz, die Augen nicht mehr zu schließen. Ich saß da und rieb mir die Beine. Die Schmerzen waren verschwunden, und ich fühlte mich nicht mehr so benommen wie zuvor. Ich tastete unter dem Feldbett nach der Wasserflasche. Dann öffnete ich blinzelnd die Augen und trank, während draußen die Grillen zirpten.
Ich wollte nicht daliegen und über alles Mögliche nachgrübeln, deshalb beschloss ich, zur Ablenkung einen kleinen Rundgang zu machen. Außerdem war ich neugierig.
Ich setzte mich auf und blieb eine Weile auf der Bettkante sitzen, während ich mir kräftig das Gesicht rieb, bevor ich aufstand und den Lichtschalter suchte. Als ich ihn nicht finden konnte, ertastete ich stattdessen die Türklinke und stolperte mit der Wasserflasche in der Hand in den Computerraum hinaus. Hier war der Lichtschalter leicht zu finden. Als die Neonröhren an der Decke aufleuchteten, sah ich, dass die Tür zum Wohnbereich geschlossen war. Ich überzeugte mich davon, dass hinter ihr kein Licht mehr brannte.
Die Sperrholzwand hinter den dunklen Monitoren der beiden nebeneinander stehenden PCs war mit
angepinnten Ausdrucken auf Spanisch,
handgeschriebenen Notizen auf Briefpapier der
Universität und gelben Haftnotizen mit Alltagskram wie Klebstifte kaufen! bedeckt. So mussten moderne Baum- Umarmer arbeiten: den ganzen Tag unterwegs, um Scheiße zu schaufeln, dann zurück an den PC, um Laubtonnagen oder dergleichen zu berechnen.
Links davon hing ein Korkbrett, auf das Fotos gepinnt waren. Alle schienen den Bau des
Computerraums und die Lichtung dahinter zu zeigen.
Auf einigen stand Aaron auf einer Leiter und nagelte Wellblechtafeln an, auf anderen stand er mit einem jungen Einheimischen vor Erdkratern, die von den Überresten gesprengter Baumstümpfe umgeben waren.
Ich trank einen Schluck Wasser und ging dann zu dem PC hinüber, der Luce gehören musste. Die Schulbücher mit Titeln wie Mathe ist cool stammten aus den USA, und zwischen ihnen ragte ein schiefer Turm von Pisa aus Musik-CDs auf. An der Sperrholzwand dahinter hingen eine große Weltkarte, Buntstiftzeichnungen, aus Zeitschriften ausgerissene Bilder von Ricky Martin und ein signiertes Foto einer hiesigen Band mit Dauerwellen und Rüschenhemden. Mir fiel ihr Name auf, den sie auf ihre Schulhefte gekritzelt hatte, wie es Kinder tun, wenn sie sich langweilen — meine waren immer voll geschmiert gewesen. Ihr Name wurde »Luz« geschrieben. Wie ich aus meiner Zeit in Kolumbien wusste, wurde das spanische Z wie S ausgesprochen. Also war ihr Name keineswegs eine Verkleinerungsform von Lucy, sondern bedeutete im Spanischen »Licht«.
Ich konnte spüren, dass ich in klebrigem Schweiß gebadet war, als ich den Wohnraum betrat und mich davon überzeugte, dass ihre Schlafzimmertür geschlossen war, bevor ich den Lichtschalter aus Messing neben der Tür betätigte.
Der Raum wurde von drei nackten Glühbirnen beleuchtet, deren weiße Zuleitungen mit U-Haken an die Deckenbalken genagelt waren. Der abgestoßene Gasherd war ein weiß emailliertes altes Ding mit einer
Bratröhre ohne Sichtfenster und drei Kochstellen. Auf der Arbeitsplatte daneben stand eine altmodische Kaffeemaschine, und am Kühlschrank waren mit Magneten mehrere Familienfotos befestigt. Vervollständigt wurde die Kücheneinrichtung durch einen Esstisch mit weißer
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