Nick Stone - 04 - Eingekreist
eitern begann, aber hier konnte ich sie richtig versorgen.
Carrie kam mit einem altmodischen, braun karierten Koffer und einem Blatt A4-Papier aus dem Lagerraum. Sie legte beides auf den Betonsockel und klappte den Koffer auf, der eine recht gute Erste-Hilfe-Ausrüstung zu enthalten schien. Als sie sich zu mir hinüberbeugte, um meinen Notverband zu begutachten, sah ich zum ersten Mal ihre Augen. Sie waren groß und sehr grün. Ihr feuchtes Haar fiel ihr in die Stirn, und sie kam mir so nahe, dass ich Apfelshampoo riechen konnte.
Sie sah nicht zu mir auf, sondern wühlte nur weiter in dem Koffer. Ihre Stimme war klar und präzise. »Also, wozu sind Sie hier?«
Sie fing an, Dinge aus dem Koffer zu nehmen; ich wusste nicht recht, ob sie meine Wunde verbinden oder mir nur zeigen wollte, was alles da war. Sie sah weiter nicht zu mir auf, als sie fortfuhr: »Mir ist nur mitgeteilt worden, dass Sie kommen würden und dass wir Ihnen helfen sollen.«
Auf dem Beton lagen jetzt in knisterndes Zellophan verpackte Mullbinden, eine Tube Wundsalbe und Schachteln mit Antibiotika, während sie weiterwühlte.
»Charlie soll etwas für uns tun. Ich bin hier, um ihn daran zu erinnern.«
Sie sah nicht auf oder gab sonst wie zu erkennen, dass sie meine Antwort gehört hatte. Ich betrachtete ihre Hände, als sie sich wieder über den Koffer beugte und dunkelbraune Medizinfläschchen herausnahm. Sie hatte Hände, die zupacken konnten, nicht die Hände einer vornehmen Lady. Auf den Handrücken waren einige kleine Narben zu erkennen, aber unter den Fingernägeln saß kein alter Schmutz wie unter Aarons Nägeln. Obwohl sie funktionell kurz geschnitten waren und keine Spur von Lack trugen, sahen sie gepflegt aus.
»Wissen Sie denn nicht, woran Sie ihn erinnern sollen? Ich meine, werden Sie nicht über solche Dinge
informiert, bevor Sie losgeschickt werden?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, Sie würden’s vielleicht wissen.«
»Nein, ich weiß nichts.« Das klang beinahe traurig.
Nun entstand eine weitere Pause. Da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, deutete ich auf das auf dem Beton ausgebreitete Zeug. »Ich sollte mich waschen, bevor ich die Wunde versorge. Und ich habe leider keine Sachen zum Wechseln mitgebracht.«
Sie richtete sich langsam auf und sah dabei zu dem Pickup hinüber. »Sie können etwas von Aaron anziehen. Die Dusche ist hinter dem Haus.« Sie zeigte mit dem Daumen über ihre Schulter. »Ich hole Ihnen ein Handtuch.«
An der Tür drehte sie sich nochmals zu mir um. »Bei uns gilt eine Zweiminutenregel. Die erste Minute dient zum Einweichen, dann dreht man den Hahn zu und seift sich ein. Die zweite Minute ist zum Abspülen. Hier regnet es viel, aber es ist nicht leicht, genug Wasser aufzufangen.« Sie griff nach der Klinke. »Oh, und trinken Sie bitte nichts von dem Duschwasser. Trinken dürfen Sie nur aus Hähnen, die mit einem T gekennzeichnet sind — nur das ist entkeimtes Wasser.« Carrie lächelte flüchtig, bevor sie verschwand. »Sonst bekommen Sie am eigenen Leib zu spüren, warum unser Wasser entkeimt werden muss.«
Ich sah mir den Ausdruck des Satellitenfotos an. Das körnige Bild war blattgroß und zeigte mir aus der Vogelschau Charlies Haus, die mehr oder weniger rechteckige Lichtung, auf der es stand, und den an ein
Brokkolibeet erinnernden Dschungel, von dem es umgeben war. Ich versuchte, mich auf das Zielobjekt zu konzentrieren, aber es gelang mir nicht — obwohl ich wusste, wie wichtig das für mich war, konnte ich meinen Kopf einfach nicht dazu bringen, vernünftig zu arbeiten.
Stattdessen fiel mein Blick auf ein dunkelbraunes Medizinfläschchen. Auf dem Etikett stand Dihydrocodein, ein ausgezeichnetes Schmerzmittel, vor allem in Verbindung mit Aspirin, das seine Wirkung dramatisch verstärkt. Ich schüttelte eine Tablette heraus und würgte sie ohne Wasser herunter, während ich in dem Koffer nach Aspirin suchte. Nachdem ich eine Tablette durch die Metallfolie gedrückt hatte, schluckte ich sie ebenfalls ohne Wasser.
Ich beschwerte das Satellitenfoto mit einer Bandage, richtete mich auf und machte mich hinkend auf den Weg zur Dusche. Vielleicht war das grelle Licht daran schuld, vielleicht war ich auch nur erschöpft, jedenfalls fühlte ich mich sehr schwindlig.
Als ich an der Tür des Lagerraums vorbeihumpelte, warf ich einen Blick hinein und sah, dass die Tür zum Computerraum weiter geschlossen war. Ich blieb stehen und begutachtete das Feldbett. Es war die alte
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