Nick Stone 05 - Tödlicher Einsatz
bemühte mich, nicht daran zu denken, was passieren würde, wenn die Jalousie zufällig geöffnet wurde. Ich hörte das Geräusch, mit dem die Schiebetür geschlossen wurde, und Schritte auf dem Pier hinter mir. Dann kam das Winseln eines Hundes, der jedoch von seinem Herrn auf Deutsch scharf zurechtgewiesen wurde.
Mir blieb nichts anderes übrig, als hier zu warten, bis Lofti wieder Entwarnung gab. Ich legte mein Ohr aufs Plexiglas, um auf Geräusche aus der Kajüte zu horchen. Unter mir war alles still, und hinter der Jalousie blieb es zum Glück dunkel.
Ich lag mit offenem Mund regungslos da und sah, wie meine Atemfeuchtigkeit sich auf dem Plexiglas niederschlug. Auf dem Parkplatz wurden Autotüren zugeknallt, dann sprangen Motoren an.
Ich blieb, wo ich war, wagte kaum zu schlucken und bewegte nur die Augen, während ich beobachtete, wie die Autos in Richtung Nizza davonfuhren.
Dann meldete Lofti sich flüsternd. »Alles klar.«
Ich sparte es mir, seine Meldung mit einem Doppelklick zu bestätigen, denn das hätte Bewegung und Geräusche bedeutet. Unter mir war es weiterhin still, aber ich wollte von diesem Sonnendach wegkommen. Nur durch eine Plexiglasscheibe und eine geschlossene Jalousie von einem Trio aus Al-Qaida-Leuten getrennt zu
sein entsprach nicht gerade meiner Vorstellung von Spaß.
Ich fing an, mich auf Handballen und Zehenspitzen in Bewegung zu setzen.
»Weitere Foxtrotter, weitere Foxtrotter!«
Ich konnte nicht erkennen, wen er damit meinte, aber das spielte keine Rolle. Ich streckte mich wieder flach aus. Im nächsten Augenblick hörte ich irgendwo entlang des Piers leise Stimmen. Auch sie schienen Deutsch zu sprechen.
»Zwei Männer an Deck, rauchend.«
Ich tastete langsam nach meinem Sony.
Klick, klick.
Diese Sache würden wir abwarten müssen. Ich konnte jetzt nur hoffen, dass mich niemand sehen würde.
Ich blieb unbeweglich liegen, wo ich war: mit gespitzten Ohren, verstopfter Nase und feuchter linker Gesichtshälfte. Die murmelnden Stimmen sprachen eindeutig Deutsch. Ich konnte sogar Pfeifenrauch riechen, als Hubba-Hubba sich jetzt meldete. »Achtung, vier Foxtrotter zu dir unterwegs, Lima.«
Ich hörte das Doppelklicken, mit dem Lofti diese Warnung bestätigte. »Sie sind an dem ersten Pier, gehen geradeaus weiter. Sie müssen zu Pier 9 unterwegs sein. November, bestätigen.«
Ich drückte vorsichtig zweimal die Sprechtaste. Er hatte natürlich Recht: Diese vier Leute mussten zu Pier 9 wollen.
Lofti meldete sich erneut. »November, soll ich sie stoppen?«
Wie zum Teufel wollte er das anstellen? Sie
erschießen?
Waren sie zu einem der benachbarten Boote unterwegs, würden sie mich sehen. Ich konnte bereits Schritte und das Murmeln von Stimmen hören, die sich in einer vorläufig noch undefinierbaren Sprache unterhielten. Sie waren eindeutig in meine Richtung unterwegs.
Als ich zweimal die Sprechtaste des Sony drückte, meldete Hubba-Hubba sich sofort.
»Hotel stoppt sie.«
Von der Ladenzeile klang das laute Klirren zersplitternden Glases herüber. Eine Mikrosekunde später schrillte das an- und abschwellende Heulen einer Alarmanlage los.
28
Ich erstarrte.
Die orangerote Drehleuchte über einem Ladeneingang begann ihr grelles Licht über die Marina zu werfen. Ich konnte mich nur auf dem Plexiglas liegend so flach wie möglich machen, während mein Puls jagte. Die vier neuen Leute, deren Stimmen überrascht klangen, redeten Französisch durcheinander, während die Deutschen sich etwas zuriefen.
Aus der Kajüte unter mir drangen laute arabische Stimmen. Jemand prallte gegen ein Möbelstück. Ein Glas zersplitterte. Licht flammte auf. Durch den schmalen Spalt am Rand der Jalousie konnte ich senkrecht auf glänzend poliertes Holz unter dem vorderen Fenster hinunterblicken. Eine Hand grapschte nach Dingen, die ich nicht sehen konnte, und verschwand wieder. Ein Rücken in einem blauen Hemd kam in Sicht. Die Kerle dort unten waren bereits angezogen. Sie hatten wahrscheinlich so geschlafen, um jederzeit flüchten zu können. Ich hörte sie aufgeregt miteinander schwatzen. Sie befanden sich in wilder Panik, weil sie glaubten, das Sirenengeheul dort draußen gelte ihnen.
Dann hörte ich eine englische Stimme, männlich und gebildet, sehr ruhig, sehr beherrscht. »Wartet, lasst mich erst nachsehen. Lasst mich nachsehen!«
Ich sah einen lockigen schwarzen Haarschopf und ein verwaschenes, ehemals weißes T-Shirt. Das Haar war auf einer Seite flach gedrückt, wahrscheinlich
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