Nick Stone 05 - Tödlicher Einsatz
haben, sobald er diesen Platz gefunden hatte.
Weil ich zu faul war, mich dazu aufzusetzen, beobachtete ich mit nur einem Auge durchs Fernglas, wie das Paar auf der Jacht rechts neben der Neunter Mai an Deck kam. Mit zu Berge stehendem Haar - so sah meines vermutlich auch aus - erledigten sie an Deck irgendwelche Arbeiten, wobei ihre Vliesjacken sie vor dem Wind schützten. An Bord der Neunter Mai passierte weiter nichts: Die Jalousien hinter allen Kabinenfenstern, die ich sehen konnte, blieben heruntergezogen. Ich suchte die Plastiküberzüge von Sitzgruppen und Steuerstand auf dem Oberdeck mit dem Fernglas ab. Sie bewegten sich
etwas im Wind, schienen aber unverändert zu sein.
Ich überlegte, was hinter diesen Jalousien vorgehen mochte. Vielleicht waren alle drei schon wach, warteten nur darauf, losziehen und das Geld abholen zu können, lagen in ihren Kojen, bis es Zeit zum Aufbruch wurde, und prägten sich Stadtpläne oder Bus- und Zugfahrpläne ein. Was sie auch taten, ich wünschte mir nur, sie würden sich damit beeilen. Je länger sie an Bord blieben, desto höher wurde mein Risiko, hier entdeckt zu werden.
Ein winziger, schmalbrüstiger japanischer Van fuhr auf den Parkplatz, und der alte Gärtner, den ich gestern gesehen hatte, stieg aus. Er trug wieder seinen sackartigen grünen Overall und Gummistiefel. Vorerst schien er sich mehr für den Campingbus als für seine Pflanzen zu interessieren; er marschierte darauf zu, als wollte er Zoff machen. Vermutlich waren Camper nicht ganz so herzlich willkommen wie jedermann sonst, der auf dem Schild an der Zufahrt begrüßt wurde.
Als er den Bus erreichte, brüllte er etwas und hämmerte mit der Faust an die Seitenwand. Auch als eine der Jalousien hochgezogen wurde, brüllte er weiter herum und schwenkte dabei die Arme wie ein Verkehrspolizist. Die Antwort fiel anscheinend befriedigend aus, denn er machte plötzlich kehrt und marschierte etwas energischer zu seinem Wagen zurück. Er öffnete die seitliche Schiebetür, hinter der ein Schubkarren mit Schaufeln, Rechen und Spaten sichtbar wurde. Diese Werkzeuge flogen einzeln heraus und schepperten auf den Asphalt. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht um drei Uhr aufgewacht war und beschlossen hatte, sich heute als Erstes das V-förmige Palmengebüsch vorzunehmen, hinter dem ich hockte. Aber er würde jedenfalls nicht gleich loslegen. Es wurde offenbar Zeit für die erste Pause des Tages.
Der Alte setzte sich auf die Schwelle der Schiebetür und schüttelte eine Zigarette aus dem Päckchen. Der Wind riss den Rauch mit, verteilte ihn rasch.
»Sprechprobe. Hotel?«
Ich zog den Reißverschluss herunter.
Klick, Klick.
»November?«
Ich griff hinein, drückte zweimal die Sprechtaste.
»Alles okay. Zeit, die Batterien zu wechseln.«
Lofti hatte Recht: Wir sollten den Tag mit frischen Batterien beginnen, und ich musste den Batteriewechsel vornehmen, bevor der alte Gärtner hier heraufkam und dort zu buddeln begann, wo er nicht willkommen war.
Ich holte das Funkgerät aus meiner Jacke, zog die Batterien vom Klebeband ab, entfernte den Batteriedeckel und ersetzte sie. Bevor ich das Sony wieder in die Tasche gleiten ließ, überzeugte ich mich mit einem Blick aufs Display davon, dass das Batteriesymbol ausgefüllt war und ich mich weiterhin auf Kanal eins befand.
Danach dauerte es nicht mehr lange, bis der alte Gärtner die Seitentür des Vans zuknallte und mit seinem Schubkarren voller Werkzeug auf die Betontreppe zukam, bevor er im toten Winkel an ihrem Fuß für mich unsichtbar wurde. Ich konnte nichts anderes tun, als zu bleiben, wo ich war, und mich auf meinen Job zu konzentrieren.
Der Berufsverkehr auf der Hauptstraße hinter mir wurde lebhafter, und es dauerte nicht lange, bis der Alte mit dem Schubkarren an mir vorbeikam. Ich beobachtete, wie er auf den Campingbus hinuntersah, und hörte ihn etwas murmeln, das unzufrieden klang. Vielleicht ärgerte ihn, dass er sich hatte abwimmeln lassen. Wenig später klirrte irgendwo rechts von mir Metall, als er Werkzeug vom Schubkarren nahm und in dem von der Sonne ausgedörrten Boden zu graben begann. Entdeckte er mich hier, würde ich den Penner spielen und mich von ihm vertreiben lassen müssen. Dann konnte ich zur Hafenzufahrt hinuntergehen und mich vielleicht an die Bushaltestelle setzen; von dort aus konnte ich zumindest jeden sehen, der den Jachthafen verließ. An diesem Beobachtungspunkt würden wir uns zu dritt abwechseln müssen, bis die Romeos aufbrachen.
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