Nick Stone 06 - Feind ohne Namen
Carlo!«
Suzy hob die MP5 auf und beugte sich mit der Maglite darüber, um ein letztes Mal zu kontrollieren, dass sie geladen war. Als ich ihr auf den Arm tippte, beugte sie sich zu mir hinüber und leuchtete mir, damit ich meine Waffe ebenfalls überprüfen konnte. Während wir im Halbdunkel einen Blick wechselten, kamen die Jungen das Bachufer entlang in Richtung Brücke zurückgeradelt
- weiter ohne Licht, noch immer mit ratternden Eiscremestielen.
Wir mussten nur noch sicherstellen, dass die Gummihandschuhe die Manschetten der Jackenärmel bedeckten, und unsere ABC-Schutzmasken aufsetzen. Ich nahm meine in die linke Hand und zog mit der Rechten die Kopfgurte zurück, um sie aufsetzen zu können. Wieder stieg mir der Geruch von neuem Gummi in die Nase, während ich mich vergewisserte, dass kein Haarbüschel die Abdichtung beeinträchtigte. Ich überzeugte mich davon, dass der Filtereinsatz festgeschraubt war, bevor ich mir die Haube über den Kopf zog und sie mit der eingearbeiteten Zugkordel schloss. Das Atmen wurde sofort anstrengend: Ich kämpfte darum, durch den Filtereinsatz Luft zu holen, und hatte ebenso Mühe, sie wieder auszustoßen. Diese Dinger waren jedenfalls nicht für Menschen konstruiert, die gern im Freien waren, und wären für jeden, der auch nur unter einem Anflug von Platzangst litt, ein Alptraum gewesen.
Taktisch konnten die Geräusche unter der
Schutzmaske ein großes Problem sein: Unsere eigene Atmung war lauter als die meisten Umgebungsgeräusche. Aber das ließ sich nicht ändern. Und falls hinter dieser Tür tatsächlich Dark Winter lauerte, würde die Frage der Beeinträchtigung durch die eigenen Atemgeräusche nebensächlich sein.
Suzy hob den Kopf, damit ich kontrollieren konnte, ob ihre Haube richtig saß, und überprüfte anschließend meine. Nun konnte es losgehen.
Die Feuerwehr drüben an der Hauptverkehrsstraße war alarmiert worden. Sirenen heulten, und blaue Blinklichter zuckten über die unbebaute Fläche, als die Fahrzeuge am Hafen vorbeirasten. In diesem Licht konnte ich plötzlich Suzys Augen hinter den Scheiben ihrer Schutzmaske sehen. Sie blinzelte nicht einmal; ihr Blick war starr und völlig konzentriert.
Ich röchelte wie Darth Vader mit Asthma, als ich mich bückte, die MP5 aufhob und den Stellschieber bis in die Position für Feuerstöße zu drei Schuss drückte, bevor ich die Waffe wieder sicherte. Ich wollte mich vergewissern, dass kein eingedrungener Schmutz das Entsichern der Maschinenpistole verhinderte. Das passierte nicht oft, aber einmal war mehr als genug. Solche Details waren wichtig.
Suzy näherte sich der Tür sehr langsam; sie machte große, vorsichtige Schritte, um nicht über die plumpen Überschuhe zu stolpern. Beide Enden der Klappe der Brusttasche ihres ABC-Schutzanzugs waren durch quadratische Klettverschlüsse gesichert. Sie griff mit einer Hand unter den Mittelteil der Klappe, um sie nicht erst öffnen zu müssen, und zog ihr MOE-Etui mit Einbrecherwerkzeug heraus. Die Art und Weise, wie sie sich bewegte, ließ mich vermuten, dass das einfache Zylinderschloss mit vier Stiften ihr nicht lange würde widerstehen können.
Sie legte das Etui auseinander gerollt vor sich hin und zog einen Patentdietrich und den Schraubenschlüssel heraus, mit dem er sich drehen ließ. Ein Zylinderschloss wird normalerweise mit dem Schlüssel geöffnet, in dessen Flanke die Kombination eingefräst ist, die dafür sorgt, dass alle Stifte gleichmäßig angehoben werden. Suzy würde die Stifte einzeln anheben und danach den Riegel ins Schloss zurückdrehen müssen, indem sie den Dietrich mit dem Schraubenschlüssel drehte.
Ich sah zu, wie sie das Zylinderschloss mit dem Stahldorn zu erforschen begann, während die abgeblendete Mini-Maglite in ihrer linken Hand einen dünnen Lichtstrahl ins Schloss fallen ließ. Es gibt einen Zen-Ansatz zur Kunst des Schlösserknackens. Dahinter steckt die Idee, alle Sinne einzusetzen, um sich ein Bild davon zu machen, was innerhalb des Mechanismus passiert, den man zu überlisten versucht. Aber das klappt nur, wenn man sich darauf konzentrieren kann, ohne sich um seine Umgebung kümmern zu müssen. Dafür war ich da. Ich stand neben der Mülltonne und hielt Augen und Ohren offen. Jenseits der unbebauten Fläche rauschte weiter der Verkehr auf der Hauptstraße vorbei.
Minuten vergingen. Auf dem Trampelpfad am Bach wären Stimmen zu hören, die wieder verstummten. Eine Autotür fiel ins Schloss, dann wurde auch Billys Haustür
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