Nick Stone 07 - Schattenkiller
ich wusste, herrschten dort erbärmliche Zustände. Seit 1991 von Russland unabhängig, aber noch immer autoritär regiert. Die Regierung entschied alles, von den Lebensmitteln, die man kaufen konnte, bis zu den Dingen, die man sich im Fernsehen anschauen durfte. Ich erinnerte mich daran, vor einer Weile einen Dokumentarfilm über Menschenrechte gesehen zu haben. Im Vergleich mit Usbekistan wirkte Pol Pot wie Mutter Teresa. Eine der dortigen Spezialitäten bestand darin, Menschen zu kochen, bis sich ihre Haut löste, und anschließend schrubbte man sie mit Desinfektionsmitteln ab. »Weißt du was,
Rob? Ich gebe mir alle Mühe, nicht zu oft darüber nachzudenken.«
Er hielt die Flasche Mineralwasser in der rechten Hand und die Waffe in der linken. »Wir bauen hier Scheiße, wie die Franzosen in Algerien. Die Geschichte wiederholt sich, und niemand lernt daraus.«
Ich kratzte mich am Kopf. »Ich bin erst einen Tag hier, Kumpel. Muss mir erst noch ein Bild machen.«
Rob deutete auf die Medienleute, die zusammen mit Jerry auf der anderen Seite des Pools standen. »Die Franzosen erstatteten auf die gleiche Weise Bericht wie die Wichser dort drüben. Sie verkündeten der Welt, die Dinge würden besser. Von wegen. In Falludscha getötete Demonstranten - na und? Nicht der Rede wert. Ein Amerikaner dreht durch und mäht Kinder in Mosul nieder - wen kümmert’s? Iraker schlachten sich nachts ab, aber beim ersten Licht des neuen Tages werden alle blind.« Er hob die Flasche zum Mund.
Ich fühlte mich plötzlich so müde wie Rob. »Du hast Recht, Kumpel, aber so ist es immer gewesen. Wir wissen, dass es alles Scheiße ist. Man sagt uns nie die Wahrheit.«
Rob leerte die Flasche und stellte sie zu einigen anderen auf eine niedrige Mauer. Randy stand beim Apple- PowerBook und stritt mit jemandem, der eine Mütze mit Mickymaus-Ohren trug. Er wollte nicht mehr Bob Mar- ley und die Wailers hören, und immerhin war dies sein Geburtstag. Ich vermutete, dass es Micky nichts ausmachte, die Musik zu wechseln, aber bestimmt gefiel es ihm nicht, dass Randy auf die Tastatur sabberte.
Rob sprach noch immer über die allgemeine Situation.
»Es ist nicht so, dass ich verbittert wäre oder so. Ich verstehe, was läuft, und mir sind auch die Gründe dafür klar. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es einen besseren Weg geben sollte. Zu Hause hört mein Mann Radio Al Alam. Der Sender befindet sich in Teheran, aber es ist die einzige Nachrichtensendung, deren Meldungen die Wirklichkeit widerspiegeln. Könnte es bizarrer sein? Die Wahrheit , und sie kommt aus einem Land, das zur so genannten Achse des Bösen gehört. Die westlichen Nachrichtenagenturen bringen nur das, was sie von der CPA hören: >Es gibt hier einige lokale Schwierigkeiten, aber damit werden wir bald fertig.< Doch die Jungs da draußen wissen es besser. Zwei Amerikaner werden hier in die Luft gejagt, sechs Briten dort erschossen. Weißt du, dass amerikanische Journalisten nicht einmal über die gefallenen Soldaten berichten? Das Weiße Haus möchte keine trauernden Familien und Särge mit der amerikanischen Flagge im Fernsehen.«
Rob ließ seinen Blick erneut über die Partygäste schweifen. »Weißt du was, Nick? Die zuständigen Leute sollten sich schleunigst eines Besseren besinnen und die Lage so schildern, wie sie wirklich ist, denn sonst glauben die Fernsehzuschauer daheim, hier wäre alles in bester Ordnung. Und wenn sie keinen Druck machen, wenn sie nicht verlangen, dass etwas unternommen wird . dann verlieren wir diesen Krieg und sitzen richtig in der Scheiße. Denn es wird hier nicht aufhören, Kumpel. Es wird sich ausbreiten.«
Mickymaus war inzwischen echt sauer auf Randy, da dieser damit begonnen hatte, Bier auf die Tastatur zu schütten, weil er nicht seinen Willen bekam.
»Wenn andere Länder glauben, dass Amerikaner mit strategischem Widerstand in Schwierigkeiten gebracht werden können, warum sollten sie dann mit ihrem eigenen Kampf aufhören?«
»Sprichst du von Usbekistan?«
»Dort geht es zu wie in einem Albtraum, Kumpel. Unser geschätzter Präsident Karimow hat sich selbst zum neuen besten Freund von George Doubleyou gemacht.«
Ich wusste vom Discovery Channel, dass Usbekistan einen der besten Tische im Washingtoner Gute-Jungs-Club hatte. Während der Aktionen gegen die Taliban in Afghanistan hatte sich das Land von den US-Streitkräften als Basis benutzen lassen, und die amerikanischen Militärs waren dort geblieben, als Teil des Krieges
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