Nick Stone 07 - Schattenkiller
Jerry stand da, nackt und benommen. Ich roch Waccy Baccy.
Mehr Menschen strömten in den Flur und ließen die Zimmertüren offen. Die Lifte rührten sich nicht mehr.
Einige Leute drückten immer wieder die Ruftaste und versuchten, die Doppeltür aufzuziehen; andere hasteten zur Feuertreppe.
»Hier draußen ist es sicherer!«, rief ich mit lauter Stimme.
Wir hörten mehrere Maschinengewehr-Feuerstöße, und dann schlug eine weitere Raketengranate ins Gebäude.
»Verdammter Mist!« Jerry sprang in den Flur. »Wir sind hierher gekommen, um eine Story zu bekommen, nicht, um Teil von einer zu werden.« Er kehrte in sein Zimmer zurück.
»Was machst du da? Halt dich von der Außenwand fern!«
Er tauchte mit seiner Kamera wieder auf und begann damit, Fotos vom Chaos im Flur zu machen.
Plötzlich herrschte Stille. Sekunden verstrichen, und die Leute hielten den Atem an. Noch immer blieb alles still. Männer und Frauen atmeten erleichtert auf, und dann folgte ein aufgeregtes Stimmengewirr.
Jerry nickte in Richtung der offenen Türen auf der anderen Seite. »Sehen wir uns den Teil des Gebäudes an.«
»Damit die Soldaten auf uns schießen? Die sind jetzt sehr nervös. Bleib hier. Sollen sie den Bereich absichern. Du kannst bald genug Fotos machen.«
Es ging beim einen Ohr rein und beim anderen wieder raus. Jerry sauste durch den Flur. Kurze Zeit später beugte er sich über den Balkon und richtete seine Kamera auf den Panzer.
Ich hörte ein Schluchzen links von mir. Ein junger Iraker, nackt, benommen und blutüberströmt, wankte durch den Flur, mit einer jungen Frau in den Armen. Überall steckten Glassplitter in ihr. Ihr Arm schwang im Rhythmus seiner Schritte hin und her. Sie kamen näher, und ich erkannte das Paar. Es war erst seit zwölf Stunden verheiratet.
40
Der junge Mann blickte auf seine Braut hinab und hörte nicht auf zu schluchzen. Ein großer Riss zeigte sich in ihrem Gesicht. Die Wange war fast bis zum Ohr aufgeplatzt, wodurch ihr Mund doppelt so groß wurde. Ich wusste nicht, ob sie noch lebte oder tot war.
Ich schob den Iraker in mein Zimmer.
Er leistete Widerstand und wusste nicht, was ich wollte. Ich packte die Frau.
Jerry hing noch immer über dem Balkon. »Komm hierher - ich brauche dich!«
Der Ehemann schrie und versuchte, wieder die Arme um seine Frau zu schlingen.
Ich legte sie auf den Teppich und rief ihm zu: »Das Licht! Schalt das verdammte Licht ein!«
Natürlich verstand er nicht. Ich sprang auf und stieß ihn weg. Er fiel aufs Bett, als Jerry hereinkam. Ich deutete auf den Iraker. »Sorg dafür, dass der Kerl Ruhe gibt!«
Das Hauptlicht blieb aus. Ich schaltete die Nachttischlampe ein. Sie gab nicht viel her, aber es war wenigstens etwas.
Ich kniete mich neben die Frau, und mein Gesicht berührte beinahe das blutige Durcheinander, zu dem ihres geworden war. Einen Atem spürte ich nicht, und die Brust blieb unbewegt. Ich hob ein Lid. Keine Reaktion der Pupille. Nicht der geringste Hinweis darauf, dass sie noch lebte.
Ich drehte sie auf die Seite, öffnete ihren Mund und steckte die Finger tief hinein, holte zwei gebrochene Zähne und einen großen Klumpen aus Schleim und Blut heraus, der ihre Luftröhre blockierte. Eine verdammte Zeitverschwendung, nach dem Puls zu fühlen. Ich musste sie beatmen, ihre Lunge mit Luft füllen. Selbst wenn ihr Herz noch schlug ... ohne Sauerstoff nützte es nichts.
Ich rollte sie wieder auf den Rücken und neigte ihren Kopf nach hinten, damit die Luftröhre offen war. Der Ehemann sprang zu mir und wollte mich von seiner Frau wegziehen. »Jerry! Bring ihn aufs Bett zurück. Sag ihm, dass sie sterben wird, wenn er nicht mit diesem Mist aufhört!«
Der Körper fühlte sich noch warm an, aber das bedeutete nicht viel. Vermutlich war sie bereits tot, aber ich musste es versuchen. Wirklich tot ist nur ein kalter Leib.
Ich löste meinen Arm aus dem Griff des Irakers und schob erneut den Kopf der Frau nach hinten. Mit der rechten Hand drückte ich ihr die Nase zu, und mit der linken hielt ich den Riss in der Wange zusammen. Der Ehemann brüllte. Er war so durcheinander, dass er noch immer nicht verstand, was vor sich ging. Jerry redete beruhigend auf ihn ein.
Ich holte tief Luft und presste meinen Mund auf das, was von ihrem übrig war, nahm dabei den metallischen Geschmack ihres Blutes wahr. Ich gab ihr meinen Atem und fühlte, wie ein Teil davon durch den Riss in der Wange entwich - aber die Brust hob sich ein wenig. Ich versuchte es erneut,
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