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Nickel: Roman (German Edition)

Nickel: Roman (German Edition)

Titel: Nickel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aric Davis
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funktionierte, dann wusste ich auch nicht. Bekam eine Antwort; wir trafen uns um zwei. Ich hatte ein bisschen Arbeit zu erledigen. Ich aß ein paar Eier, die letzten im Karton, und hüpfte unter die Dusche. Es war Samstag, da musste ich mich nicht tarnen. Ich zog ein Hot-Water-Music-T-Shirt und eine Jeans an. Auch wenn ich es mir aussuchen darf, sind meine Klamotten nicht besonders aufregend. Ich holte das restliche Dope, die Startpistole und den Tränengasfüller aus den Taschen von gestern Abend, verwahrte alles wiederin der Kiste, schnappte mir ein bisschen Geld und holte das Fahrrad aus der Garage. Flüchtig dachte ich daran, Arrow anzurufen, entschied mich aber dagegen. Das konnte ich später immer noch von einem Münztelefon aus tun, falls ich es mir anders überlegte. Ich radelte hinaus in die Welt; vor meinem Tête-à-Tête mit Jeff musste ich noch anderswo haltmachen.
    Ich machte mich bereit für ein bisschen richtiges Fahrradfahren. Die Strecke war nicht weit genug, um Lou zu rufen, aber viel fehlte nicht.
    Ich hatte Rhino seit fast einem Monat nicht mehr gesehen. Ihm gehört eine Ju-Jutsu-Sportschule im westlichen Teil der Stadt und eine Zeit lang war ich zweimal täglich dort gewesen. Rhino ist als kleiner Junge auf eigene Kosten den ganzen Weg von Brasilien hierhergekommen. Er hat mir mal erzählt, dass er Ju-Jutsu gelernt hat, damit er seinem Stiefvater eine Lektion erteilen konnte. Die Lektion war so durchschlagend, dass er danach das Land verlassen musste. Rhino hat mir nie erzählt, wie er dahin gekommen ist, wo er heute ist, aber in der Sportschule hängen Fotos von alten Männern und einem sehr jungen Rhino, die für sich sprechen. Genauso viele Fotos zeigen Rhino mit Kindern – Kindern mit leuchtenden Augen. Wenn Rhino einem Kinderschänder begegnet, kann der Kerl sich glücklich schätzen, wenn er einfach nur stirbt.
    Ich höre immer wieder, dass Rhino über solche Sachen einfach nicht sprechen will. Dass er manchmal Sonderunterricht gibt. Kindern zeigt, wie man gegen Erwachsene kämpft. Ihnen zeigt, wie sie jemandem ein Ohr abreißen oder mit einem Schlag die Nase brechen, ihn mit einer Fernbedienung blenden oder ihm vielleicht sogar sonst etwas abreißen können. Ihrwisst schon, die richtig fiesen Sachen. Kann sein, dass ich mal an so einem Sonderunterricht teilgenommen habe, aber ich bin da wie Rhino, ich spreche nicht darüber.
    An der Sportschule stellte ich mein Fahrrad ohne den Kettenzauber in den Fahrradständer. Bei Rhino läuft es andersherum: Dein Fahrrad würde auseinandergenommen werden, wenn du es an den Ständer anschließen würdest. Bei Rhino wird nicht gestohlen.
    Ich ging hinein. Es gab keine Klingel, aber an der Tür standen zwei Plastikstühle. Ich kannte die Spielregeln, also setzte ich mich und sah den Leuten zu, die in ihrer Mittagspause rollten, wie die Übungskämpfe bei uns heißen. Zwei waren wirklich gut, ein paar überhaupt nicht und einer brachte die Lehrer zur Verzweiflung – es sah eher aus, als würde er ihnen Unterricht erteilen. Für eine Mittagspause war das ein ganz ordentlicher Haufen. Rhino stand abseits an einer Seite, sprach mit einem seiner Lehrer und lobte den Schüler, der seinen Lehrer beinahe in einen Triangle Choke bekommen hatte, einen Würgegriff, bei dem man den Kopf des Gegners über seinem Arm zwischen den Beinen einklemmt. Man zieht am Arm, kneift die Beine zusammen und er geht schlafen. Klassischer Brazilian Jiu-Jitsu; ich bin sicher, dass im Original ein Messer dazugehört.
    Rhino sah zu mir herüber. Ich nickte ihm zu und er nickte zurück. Er klopfte dem Lehrer neben sich auf die Schulter und deutete auf mich. Jetzt würde man mich entweder unsanft vor die Tür setzen oder ich durfte mit Rhino sprechen. Der Lehrer trug ein Gi. Er ging außen um den Käfig und den Ring herum, machte einen Bogen um die Matten und blieb vor mir stehen. Er fragte: »Musst du reden?«
    »Ja.«
    Er hob die Hand und schnipste mit den Fingern. Ich konnte Rhino nicken hören, ich konnte es fühlen. Der Lehrer, den er zu mir geschickt hatte, deutete vor sich auf den Boden. »Nach dir.« Ich nickte, wie von mir erwartet wurde, und machte mich auf den Weg durch den Raum. Rhino folgte mir mit dem Blick. Dieser Blick war weder gemein noch nett. Er war neutral. Ich hatte das Gefühl, als würden sich zwei Laser in mein T-Shirt bohren. Rhino war bei jedem so. Ich kenne niemanden, der Kindern in Schwierigkeiten ein besserer Freund ist. Ich trat vor Rhino hin und er warf

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