Nickel: Roman (German Edition)
mir einen strengen Blick zu, pflanzte die Hände auf den Teppich und sah mich an. Er kratzte sich das Gesicht und richtete sich auf. Einmal hat er mir erzählt, in Brasilien gebe es keinen Rassismus. Die Menschen dort seien so durchmischt, dass eine gute Frau mit demselben Mann drei Kinder in unterschiedlichen Kaffeetönen haben könne, in beliebiger Reihenfolge. Ich ging zu meinem alten Freund, breitete die Arme aus und er hob mich vom Boden hoch wie ein Bär. Er setzte mich wieder ab und musterte mich von unten bis oben.
Als die UFC Mixed Martial Arts zu einer Goldgrube gemacht hatte, war Rhino zu alt gewesen, um richtig Geld damit zu verdienen. Er war in Brasilien und Japan professionell in Vale-Tudo-Kämpfen angetreten, damals, als Vale Tudo wirklich noch hieß, dass alles erlaubt war. Er hatte Kämpfer trainiert und auf die UFC sowie auf japanische Pride FCs vorbereitet. Seither war viel Zeit vergangen, aber als Trainer war Rhino noch immer ganz oben; die echten Kämpfer kannten ihn und wussten, was er war.
Rhino kannte die Spielregeln, und er wusste auch, welches Spiel ich spielte. Ich war kein Junge, der einen Gefallen wollte; ich war geschäftlich hier und wollte reden. Er winkte dem Mann, der mich hergeführt hatte, und schon war der Typ weg. Rhino öffnete die Tür hinter sich und ich folgte ihm in sein Büro. Ich wusste, was jetzt kam. Die Tür ging zu und ich konzentrierte mich ganz auf ihn. Er setzte sich auf einen Stuhl. Winkte mir zu. Ich setzte mich.
»Nickel. Wo bist du gewesen? Lange her.«
»Ich habe gearbeitet, hab viel zu tun mit ein paar Fällen.«
»Du hast noch viel zu lernen, mein Freund. Du solltest nicht so selten zum Ju-Jutsu kommen.«
»Ich weiß. Tut mir leid.«
»Warum kommst du heute?«
»Ich muss jemanden anheuern.«
»Hast du etwas von dem angewendet, woran wir gearbeitet haben?«
»Ja.«
Ich dachte nach. Es verging eigentlich kein Tag, an dem ich nicht irgendetwas von dem, was ich mit Rhino auf der Matte oder im Unterricht gelernt hatte, anwendete; das war der Einfluss, den er auf seine Schüler hatte. Wenn man mit dem Training anfing, dachte man nur noch so, wie er es wollte. Er schmiedete Menschen aus Fleisch und Knochen zu Stahl.
»Hab einen Kerl in den Heel Hook genommen. Er kannte die Regeln nicht. Geht jetzt am Stock.«
Rhino schob seinen Stuhl beiseite. Ich stand auf und tat es ihm nach. Ich hatte gewusst, dass es so laufen würde.
»Zeig’s mir.«
Ich packte ihn an den Schultern und drehte ihn so weit herum, dass er von mir fort schaute. Stellte mein rechtes Bein zwischen seine Beine und warf mich mit ganzem Gewicht gegen seine Schulter. Rhino drehte sich mit mir – er ließ sich von mir bewegen, da machte ich mir nichts vor –, und wir landeten so, dass wir einander gegenübersaßen, sein Fuß in meinem Schoß. Ich klemmte mir den Fuß unter die Achsel und drehte ihn. Rhino klopfte auf mein Bein und ich ließ los. Es war ein Griff, bei dem er im Käfig niemals aufgegeben hätte. In einem ernsten Kampf hätte ich ihn nicht nur niemals zum Abklopfen bringen können, sondern wir würden auch noch stehen – es ist fast unmöglich, Rhino zu Boden zu zwingen, außer er will seinen Gegner da haben.
»Er nicht hat getappt?«
»Nein.«
Rhino stand auf und klopfte sich den Staub ab.
»Dein Takedown ist schlampig. Submission ist stark. Stark wie bei Mann.« Er lächelte. »Aber nicht wie bei Rhino.« Ich schüttelte den Kopf. Ich würde nie wie Rhino sein.
»Dieser Mann, er verdient es?«
Wir setzten uns wieder und ich nickte, dachte daran, wie ich den Spanner draußen vor dem Fenster eines achtjährigen Mädchens erwischt hatte. Hatte die Beule in seiner Hose gesehen. War ohne jede Angst zu ihm gegangen; ich hatte gewusst, er würde schwach sein. Er war es. Ich ließ ihn schreiend und mit kaputtem Knie zurück. So fand ihn dann die Polizei, und die glaubte nicht ein Wort von dem, was er über einen kleinen Jungen ganz in Schwarz erzählte, der wusste, wie man dafür sorgte, dass ein Mann sich vorkam wie eine Brezel. Sie fandenauch Messer bei ihm, ein Werkzeug zum Glasschneiden, ein bisschen Äther. Vielleicht wäre es noch nicht in dieser Nacht passiert, gut möglich, dass er noch nicht so weit war, aber so oder so, er hatte es nicht anders verdient. Rhino klatschte in die Hände und sagte: »Dann ist es gut, sehr gut. Warum kommst du heute zu mir?«
»Ich brauche jemanden, der stark ist in Ju-Jutsu, aber er darf nicht stark aussehen.«
Er nickte.
»Er
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