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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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zurück. »Sterblichkeit?«
    Nicodemus nickte. »Ja, so wie in Sterben. Geschöpfe mit zweifacher Kognition können sich nicht daran erinnern, was es bedeutet zu sterben.«
    »Aber ich glaube, dass ich nach wie vor nur zweifache Kognition habe. Was ist denn der Unterschied zwischen zweifacher und dreifacher Kognition?« Ihr Ton war haargenau der gleiche wie zuvor.
    Nicodemus drückte den Index an sich. »Es tut mir leid, Petra. Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll.«
    Die Wasserspeierin schien ihm gar nicht mehr zuzuhören; ihre Ohren bewegten sich jetzt in verschiedene Richtungen. »Geh jetzt besser!«, raunte sie. »Ich sehe und höre vieles. Es gibt korrupte Wasserspeier. Wir Geschöpfe reden über sie. Niemand weiß, wer sie geschrieben hat. Doch sie spionieren die Zauberer aus.«
    Nicodemus schluckte schwer. »Was ist mit den Wasserspeiern im Compluvium?«
    »Sie sind nicht korrumpiert«, sagte sie. »Du solltest diesen Ort jetzt verlassen. Böses naht.«
    »Danke, Petra«, sagte er und machte sich davon.
    Lachend rief sie ihm nach. »Ich danke dir, Nicodemus Weal. Du bist mein Verfasser, der mich selbst zur Verfasserin gemacht hat.«
    Unschlüssig, was er darauf erwidern sollte, eilte Nicodemus durch den höhlenartigen Bauch der Bibliothek. Tausende von Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Doch als er durch den Haupteingang in das Atrium der Frauen trat, blieb er mitten in einer Überlegung stehen.
    »Beim Blut des Los!«, fluchte er. Da es im Index nun vor Schreibfehlern nur so wimmelte, konnte auch Shannons Golemzauber davon betroffen sein. Deshalb konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen, ob er den Zauber fehlerfrei nachzaubern könne. Angst schnürte ihm die Kehle zu. Diesen Angriffszauber zu schreiben, könnte sogar sehr gefährlich werden.
    Schon wollte er seine Kakographie verfluchen, als ihm noch einmal die Wasserspeierin Petra in den Sinn kam. Ein warmes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus, und es dauerte einen Moment, bis er erkannte, was es war: Stolz – wie lange hatte er doch dieses Gefühl entbehren müssen.
    Er schaute zum Deckengewölbe auf. Das Mosaik von Uriel Bolide starrte ihm entgegen. In der linken Hand hielt Bolide einen roten Zauberstab und zeigte damit auf eine Schriftrolle in ihrer Rechten. Um ihr berühmtes langes Haar darzustellen, hatte man Bernsteinsplitter verwendet.
    Ein amüsiertes Lächeln spielte um ihren Lippen, als hätte sie gerade die Eigenschaften magischer Vorteile entdeckt, indem sie einem Problem, das die männliche Zauberwelt schon lange vor ein Rätsel stellte, mit ein bisschen Weiblichkeit zu Leibe gerückt war.
    Nicodemus war fasziniert davon, wie ähnlich April der Frau auf dem Mosaik war. In seinem Alptraum hatte Aprils Antlitz über ihm gehangen und ihr Haar hatte sich wie Sternenschweife ausgebreitet. »Flieh aus Starhaven!«, hatte sie gesagt. »Flieh mit allem, was du hast!«
    Abermals drückte Nicodemus den Index an sich. Er war alles, was er hatte.
    Er beschleunigte seine Schritte und spurtete so schnell er konnte über Stone Court. In ein paar Stunden würde man den Index vermissen; bis dahin musste er alle männlichen Kakographen im Compluvium versteckt haben.

Kapitel 27
    Kein Laut war zu vernehmen, als Nicodemus die Stufen zum Speicherturm hinaufstürmte. Er stürzte in den Gemeinschaftsraum und riss einen ihm im Weg stehenden Stuhl einfach um. »John!«, rief er. »John, wach auf! Wir müssen fort.«
    Nicodemus raste in seine Kammer und schlug die Truhe hinterm Bett auf. Eilig schlang er sich seinen dicken Umhang um die Schultern und breitete dann ein Laken auf dem Boden aus. Darauf legte er den Index, den Beutel mit Münzen von Shannon und etwas Wäsche.
    Die Geldkatze lag am Fußende seiner Pritsche. Als er nach ihr griff, spürte er ein Kribbeln in den Fingern. Verwundert runzelte er die Stirn, bis ihm das druidische Artefakt wieder in den Sinn kam. Der Findesamen. Er bettete den Samen ebenfalls aufs Laken; vielleicht würde er ihn einmal brauchen.
    Nicodemus raffte das Laken zusammen, schlang es sich als behelfsmäßigen Beutel um die Schultern und rannte zum Gemeinschaftsraum.
    »Simple John?«, fragte Simple John im Türrahmen stehend. Seine Kerze erfüllte den Raum mit flackerndem Licht und langen Schatten.
    »Alles in Ordnung, John«, erwiderte Nicodemus. »Aber ich brauche deine Hilfe, um alle Jungen zusammenzutrommeln. Ist Devin schon von ihrem nächtlichen Hausmeistereinsatz zurück?«
    »Nein«, sagte der Hüne mit

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