Nicodemus
gewann.
In diesem Moment blieb Shannon stehen, um silbrig logorrhöische Ausdrücke von sich zu geben. Als sie ihren Weg fortsetzten, zeigte Shannon Nicodemus, wie man den Index mit ein paar einfachen Sätzen dazu brachte, einem langsam um den Körper zu kreisen. »Im Kampf«, sagte der alte Linguist ernst, »lassen wir unsere Zauberbücher so um uns herum schweben.«
Nach einiger Zeit kehrte Deidre mit guten Nachrichten zurück: Es gab keine Anzeichen von Zauberern in Gray’s Crossing. Von einer der Stadtwachen hatte sie erfahren, dass alle Schwarzroben bei Einbruch der Dunkelheit nach Starhaven einbestellt worden waren.
Nach einem halbstündigen Fußmarsch kam hinter einer Biegung Gray’s Crossing in Sicht. Viel gab es hier nicht zu sehen: ein Haufen runder lornischer Häuschen drängten sich um zwei Wirtshäuser, einen Schmied, einen Tuchmacher und den Gemeindeplatz. In der Mitte des Weilers traf die Westernmost Road auf den kleineren Weg, der nach Starhaven führte. Die meisten Dorfbewohner waren entweder Bauern oder Krämer, die mit den Zauberern Handel trieben.
Mit Deidre an der Spitze verließen sie eilig die Straße und begabensich in den Schutz der Bäume. Sie wählten ihren Weg mit Bedacht, so dass sie hinter den Ställen eines schäbigen Wirtshauses namens Zum Wilden Holzapfel herauskamen.
Deidre drängte sie zum Hintereingang und eine wacklige Treppe hinauf. Shannon schrieb einen Flammenflugzauber, damit sie alle etwas sehen konnten.
»Der Wirt stammt aus dem Hochland«, raunte Deidre. »Das Dachgeschoss hat er an dralische Schmuggler vermietet, die Waffen von den Spiren kaufen, um sie dann ins Hochland zu den Rebellen zu schleusen. Ihre Waffen lagern in einem Geheimversteck im Fußboden.«
Vor einer Tür machte sie Halt. »Seid ganz leise, zunächst muss ich Boanns Anhänger wissen lassen, dass wir Freunde sind.« Sie klopfte zweimal an und erstarrte.
Mit der Hand drückte sie die Tür einen Spalt auf. Drinnen war es dunkel und totenstill.
»Vorsichtig«, flüsterte Shannon, ein kugelförmiger Magnuszauber erschien in seiner Hand.
Deidre zückte ihr Langschwert und drückte die Tür weit auf, so dass das Licht der Flammenzauber in den dunklen Raum fiel. Nicodemus konnte über ihre Schulter einen reglosen Leib ausgestreckt auf dem Boden liegen sehen.
Es waren acht Tote, darunter drei Frauen. Kein einziger Tropfen Blut klebte an den Leichen.
Shannon entdeckte einen sich langsam zersetzenden Numinusabsatz hinter dem Ohr eines der Opfer. »Fellwroth«, sagte er und sah sich den Text genau an. »Der Angriff hat vor ungefähr zwanzig Stunden stattgefunden.«
Die spärlich möblierten, aber geräumigen Zimmer gingen ineinander über. Nicodemus streifte ins hintere Zimmer und fand dort auf einem Tisch eine Schüssel mit Eintopf stehen. »Das Ungeheuer hat sie überrascht«, bemerkte er mit einem Blick auf das geronnene Fett am Schüsselrand. »Es gibt keinerlei Spuren eines Kampfes.«
John beugte sich über die Leichen und schloss ihre stieren Augen. Währenddessen beschäftigte sich Nicodemus mit der Zimmerdecke.Dank seiner neuen Kenntnisse der Ursprache konnte er die zyanfarbene Aura der Ratten ausmachen, die über die Dachsparren huschten.
Deidre, die an der Tür verharrte, presste die bleichen Lippen aufeinander. »Das ergibt keinen Sinn«, sagte sie. »Fellwroth kann überhaupt nicht gewusst haben, dass sich der Schrein hier befindet.«
»Deidre«, rief Shannon quer durch den Raum, »ich weiß nicht, wie gut Ihr die Verstorbenen gekannt habt, aber …«
»Boanns Schrein ist verschwunden«, sagte sie da. »Ich muss ihn zurückholen!«
Der Zaubermeister sah sie an. »Wie sieht der Schrein aus? Könnte er hier irgendwo versteckt sein?«
»Ein Menhir, sechs Fuß hoch, zwei Fuß breit und zwei tief, die Kanten sind glattgeschliffen. Es ist ein Wasserschrein, und er ruht den größten Teil des Jahres in einem von Boanns geweihten Hochlandflüssen. Drei parallele Linien durchziehen den Stein von oben bis unten, sie repräsentieren ihre Flüsse.«
Nicodemus sah Deidre an. Irgendetwas in ihm regte sich bei dieser Beschreibung.
Deidre ging unruhig im Zimmer auf und ab und blickte immer wieder auf die Dielenbretter. »Vielleicht ist der Stein doch hier. Das Geheimversteck im Boden! Die anderen haben den Schrein möglicherweise dort verborgen.«
Sie beugte sich herunter und klopfte gegen die Dielen. »Ganz leise, dann finden wir das Versteck bestimmt.«
Wieder zerrte etwas an Nicodemus’
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