Nicodemus
zugeschüttet?«, fragte Shannon.
Nicodemus schüttelte energisch den Kopf. »Und genau dort befindet sich Fellwroths richtiger Körper. Im Traum sah ich, wie der Efeu – Repräsentant der chthonischen Metazauber – und die Schildkröten – stellvertretend für die Geschöpfe der Blauhäute – Fellwroth angriffen. Offenbar wehren sich die alten Zauber gegen Fellwroths Eindringen in die Höhle.«
Shannon brachte sein Missfallen zum Ausdruck. »Aber Fellwroth könnte innerhalb der Festung gar keinen Golem schaffen, die chthonischen Metazauber würden das doch verhindern.«
Nicodemus ballte die Fäuste. »Aber die Höhle liegt überhaupt nicht innerhalb der Festung. Und die Höhlenzauber sind wesentlich älter als die Starhavener Metazauber.«
Wieder wandte er sich Deidre zu. »Boanns Schrein ist ebenfalls dort. In meinem Albtraum habe ich ihn gesehen, er stand direkt hinter Fellwroth. Damals wusste ich nicht, was es war. Doch gerade eben, als du den Menhir beschrieben hast, ist es mir klar geworden.«
»Die Höhle ist also verborgen?«, fragte John vorsichtig. »Und nur mit irgendeinem uralten Zauberspruch gelangt man hinein?«
Nicodemus schüttelte den Kopf. »Denkt doch nur an die Form der Spindle-Brücke. Alle übrigen Brücken der Chthonen sind schmal und flach, die Spindle hingegen ist massiv und rund wie ein mächtiger Ast. Und wie unsere Schritte hallten, als wir hinüber liefen. Erinnert Ihr Euch noch Magister, welchen Krach die Wächter machten, als sie uns entgegengeeilt sind? Und Deidre, wisst Ihr noch, wie es sich anhörte, als der Kampfspeier auf die Brücke gestiegen ist?«
Sie nickte zustimmend. »Wie eine Trommel … als ob sich deren Vibration über die gesamte Brücke ausbreitet.«
»Genau«, sagte Nicodemus. »Und in einem meiner Albträume bin ich durch einen langen Tunnel marschiert, der in der Kammer mit Fellwroths Körper endete. Und während ich durch diesen Tunnel ging, habe ich meine eigene Stimme vernommen, wie ich mit MagisterShannon über die chthonischen Steinmetzarbeiten sprach. Die Stimme ist über mir hinweggegangen.«
»Also ist die Spindle-Brücke …«, setzte Shannon an.
»Gar keine Brücke«, beendete Nicodemus seinen Satz. »Es ist ein Tunnel. Die Zauberer haben bislang nichts in der Gebirgswand entdecken können, weil sie nur das Gestein unmittelbar vor sich untersucht haben. Versteht Ihr denn nicht? Der Tunnel verbirgt den Eingang zur Höhle.«
Deidre nickte eifrig, doch Shannon und John machten immer noch ungläubige Gesichter.
»Das passt doch alles genau zusammen«, beharrte Nicodemus. »Die chthonischen Sprachen zerfallen im Sonnenlicht. Und auch wenn die Chthonen das Sonnenlicht vertragen, ihre blauhäutigen Vorfahren vertrugen es nicht. Der Spindle-Tunnel muss eine Art architektonischer Kompromiss gewesen sein: ein Ort, an dem Chthonen und Blauhäute sich im Dunkeln treffen konnten.« Er riss den Index aus seiner Kreisbahn.
»Wartet, ich werde einen weltlichen Text finden, in dem …« Nicodemus öffnete die Schließen des Buches.
»Nein, nein«, sagte Shannon. »Ich zweifle überhaupt nicht an der Folgerichtigkeit deiner Überlegung. Ich frage mich nur, ob uns dieses Wissen jetzt weiterbringen kann.«
Deidres Stimme überschlug sich fast. »Wir machen es genauso wie Nicodemus vorgeschlagen hat. Wir dringen in den Tunnel ein und reißen Fellwroths Leib in Stücke, solange seine Seele noch in einem Golem weilt.«
»Ist die Narrenleiter noch intakt?«, fragte Nicodemus. »Wenn wir uns Starhaven von Osten her nähern, könnten wir über die Narrenleiter auf die Spindle-Brücke gelangen.«
Der Zaubermeister machte ein finsteres Gesicht. »Könnten wir, aber der Plan ist zu gefährlich. Was, wenn Fellwroth gar nicht in einem Golem steckt?«
»Weglaufen wäre auch nicht sicherer«, beharrte Nicodemus. »Fellwroth wird mich überall finden. Und Magister, der Smaragd hat mir diese Träume geschickt, er will gerettet werden.«
Kopfschüttelnd sagte Shannon: »Nicodemus, wir beide sind Linguisten und keine Wächter.«
Deidre legte Shannon die Hand auf die Schulter. »Nur so können wir meine Göttin retten. Ich werde keinem anderen Plan zustimmen.«
Nicodemus schloss die Lider. »Es ist auch der einzige Weg, um den Smaragd zu bekommen.« Als er die Augen wieder öffnete, sah er Shannon fest an. »Und um Euch von dem Fluch zu befreien.«
»Und mich«, sagte John. »Auch ich werde keinem anderen Plan zustimmen.«
Alle Augen wanderten zu John.
»Seit
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