Nicodemus
Dämon bedachte ihn mit einem geradezu onkelhaften Schmunzeln. »Du hast meinen Plan durchschaut, bis auf eine Kleinigkeit.«
»Taifon«, keuchte Nicodemus.
Der Dämon nickte. »Leg den Alten ab. Ich habe ihn in Fesseln gelegt.«
Erschreckt stellte Nicodemus fest, dass Shannon nur noch schlaff in seinen Armen hing. Vorsichtig legte er ihn auf den Boden.
»Hast du jemals zuvor einen Gott gesehen?«, dröhnte Taifon und schlug mit den gefleckten Flügeln.
Nicodemus schüttelte den Kopf.
Der Dämon nickte verständnisvoll. »Für die meisten Sterblichen ist es eine überwältigende Erfahrung. Doch ich möchte, dass du das überwindest und dich in meine Lage versetzt, mein Junge. Denk an den Moment, als Fellwroth dich und Deidre im Speicherturm entdeckt hat. Was hätte ich tun sollen?«
»Ihr hättet dafür sorgen können, dass Deidre einen Anfall bekommt«, sagte Nicodemus ohne nachzudenken. »Wenn sie mich schon damals an Fellwroth ausgeliefert hätte, hätte er uns sofort hierher gebracht.«
Taifon grinste schief unter seinem purpurnen Bart. »Richtig. Nachdem Fellwroth den Schrein geraubt hat, hat er ihn mit einem Numinusschild versiegelt. Das hatte ich nicht vorausgesehen. Dieser Zauber hat mir beinahe jegliche Kontrolle über Deidre genommen. Deshalb hat sie auch weiter meine ursprünglichen Anweisungen befolgt, nämlich dich zu verführen und nach Gray’s Crossing zu bringen.«
Der Dämon hielt inne. »Nicodemus, es ist eine Schande, dass wir uns auf diese Weise kennenlernen. Ich bin dein Schöpfer. Ich habe deine Eltern zusammengebracht und dafür gesorgt, dass du als Kakograph in Starhaven landest.«
Taifon verzog die schwarzen Lippen. »Es war nicht gerade das besteZuhause, das weiß ich. Für jemanden mit deinen Fähigkeiten muss es schwer gewesen sein, sich mit der Kakographie zu arrangieren. Doch ansonsten hätte ich mitansehen müssen, wie dich ein Meuchelmörder der Allianz beseitigt.« Er schauderte. »Und ich hätte es nicht ertragen, einen weiteren meiner Kaiserjungen sterben zu sehen.«
Verständnislos blickte Nicodemus ihn an.
Der Dämon musterte ihn nun eingehend. »Fellwroth hat dir doch von der Allianz göttlicher Ketzer berichtet, nicht wahr? Über den geheimen Bund menschlicher Gottheiten, die ebenfalls einen Primuszauberschreiber hervorbringen wollen? Seit Jahrzehnten schon bringen sie deine Vettern um. Und auch dich würden sie im Nu auslöschen, deshalb musst du mir erlauben, dich zu beschützen.«
Nicodemus war starr vor Schreck; der Dämon klang ernsthaft besorgt.
Taifon machte einen Schritt auf ihn zu. »Wir sind unserem Ziel so nah, dass wir dich nicht länger in diesem erbärmlichen Starhaven verbergen müssen. Schließ dich mir jetzt an und hilf mir, einen neuen Drachen zu erschaffen. Nun, da Fellwroth tot ist und der Smaragd wieder seine volle Kraft hat, werden wir höchstens sieben oder acht Jahre dafür brauchen. Dann wirst du der erste Drachenlord sein, ein neues Wesen, dem die Angriffe der Allianz nichts mehr anhaben können.«
Diese letzten Worte rüttelten Nicodemus aus seiner Starre. »Im Traum war ich Euer Drache. Lieber schlitz ich mir selbst die Kehle auf, als solch ein Monster zu erschaffen.«
Taifon schüttelte seinen wuchtigen Kopf. »Nicht mein Drache wart ihr, sondern Fellwroths. Dieser Sklave hat meine Idee in eine klischeehafte, feuerspeiende Echse verwandelt. Er hat nie begriffen, was ein wahrer Drache ist. Nicodemus, es sind Texte, prächtiger, als du es dir auszumalen vermagst. Ich könnte dich diese Zauber lehren, damit du verstehst, welch’ herrliche Geschöpfe Drachen sind und welchen Ruhm du und ich noch erringen werden.«
Statt zu antworten, sah sich Nicodemus nach einer Fluchtmöglichkeit oder einer Waffe um. Entdecken konnte er nur Deidre, die wie versteinert dastand.
»Sie kann dir noch nicht helfen«, polterte Taifon. »Im Moment ist sie noch meine Avatara und besitzt den Großteil meiner Seele. Es wird einige Zeit dauern, bis wir sie auf unsere Seite gezogen haben, aber uns beiden wird das schon gelingen.«
Als Nicodemus zurückwich, machte Taifon eine rasche Handbewegung, als würde er zaubern. Nicodemus zuckte zusammen, doch nichts geschah.
Verwundert runzelte der Dämon die Stirn. »Merkwürdig«, sagte er. »In den Zensorzauber, den ich gerade um deinen Geist gelegt habe, haben sich Fehler geschlichen, und er hat sich einfach aufgelöst. Beeinflusst deine Kakographie auch dir unbekannte Sprachen?«
Bilder der Nachtwesen, die ihn
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