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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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zerfielen, aber dass so etwas ausgerechnet bei einem Zaubermeister passieren sollte, war höchst ungewöhnlich.
    Die trüben Augen des alten Zauberers richteten sich auf Nicodemus’Brust. »Und bei dir, mein Junge? Gab es gestern Nacht irgendwelche Vorkommnisse im Speicherturm?«
    Nervös sah er zu den Fremden hinüber. »Nur ein Jejunus-Duell. Ich hoffe, wir haben niemanden gestört.«
    Shannons Züge entspannten sich. »Darüber lass dir mal keine grauen Haare wachsen. Bitte begrüße doch unsere Gäste.« Er schwenkte die Hand Richtung Zauberin. »Magistra Amadi Okeke, Wächterin aus Astrophell.«
    Nicodemus verbeugte sich, und die Frau nickte ihm zu.
    »Und Deidre von der Gesandtschaft Stummes Sterben .«
    »Verzeiht mir, Magister«, unterbrach ihn die Druidin. »Aber ich spreche nicht im Namen der Gesandtschaft. Mein Protektor und ich sind unabhängige Berater.«
    Nicodemus musste sich zusammenreißen, um sie nicht unentwegt anzustarren. Nachts war ihm Deidre hübsch erschienen; doch im Licht der Sonne strahlten ihre Augen noch grüner, schimmerte ihre Haut noch dunkler, und das offene Haar glänzte in noch tieferem Schwarz. Jetzt war sie atemberaubend und kam ihm irgendwie vertrauter vor.
    Shannons blinder Blick war die Decke hochgewandert. »Nun, Nicodemus, bitte begrüße Deidre, unabhängige Emissärin von Dral.«
    Nicodemus wurde langsam unbehaglich. Shannon hatte gesagt, sie hätten ihn erwartet. Hatte sein Gespräch mit der Druidin gestern Abend etwa neuerliches Interesse an seiner Kakographie geweckt?
    Er verneigte sich vor Deidre.
    »Kraulen!«, krähte Azure und flog von Shannons Stuhl auf. Nicodemus streckte gerade rechtzeitig seinen Arm aus, damit sich die Papageiendame darauf niederlassen konnte.
    »Erzählt mir von Eurem Vogel«, sagte Deidre belustigt. »Ich dachte, sie sei Ihr Schutzgeist und könne mit niemand anderem kommunizieren.«
    Shannon wandte sich der Druidin zu. Er überlegte einen Moment, bevor er antwortete. »Manchmal überbringt Azure Nicodemus eine Nachricht, doch nur ich kann ihren Numinusdialekt verstehen.« Ein goldener Satz flog von Shannons Augenbraue zu seinem Schutzgeist.Der Vogel legte den Kopf schief und flatterte zurück zu Shannons Schulter.
    »Ein paar von uns verlieren ihr Augenlicht durchs Alter oder ein literarisches Trauma und können dann nur noch magische Texte lesen.« Shannon zeigte auf seine gänzlich weißen Augen. »Bei mir war es das Alter. Aber Zauberer wie ich können blitzschnell mit tierischen Schutzgeistern Informationen austauschen.«
    Zwischen Zauberer und Schutzgeist sprudelten zwei Ströme aus Numinus hin und her. Nun fixierte Shannon Deidre direkt. »Mit Hilfe dieses Protokolls kann ich durch Azures Augen sehen. Und das nutze ich in diesem Moment.«
    Deidre betrachtete Mann und Vogel eingehend. »Was für seltsame Bräuche ihr Zauberer habt.«
    Wieder antwortete Shannon nicht sofort. »Wie ich gehört habe, pflegen auch die Druiden eigenartige Beziehungen zu Tieren. Aber dieses Konzil wird hoffentlich nicht nur dazu beitragen, dass die Verträge erneuert werden, sondern auch, dass sich unsere ungleichen Völker am Ende weniger fremd sind.«
    Noch nie hatte Nicodemus es erlebt, dass der alte Mann seine Worte so zögerlich und mit so viel Bedacht wählte.
    Azure, die sich offenbar genug für Shannon umgesehen hatte, unterbrach den Numinusstrom und putzte nun inbrünstig eine von Shannons Locken.
    Magistra Okeke ergriff das Wort: »Wir sollten dem Jungen sagen, warum wir hier sind.«
    Shannon kniff die Lippen zusammen und deutete dann auf drei Stühle. »Dann lasst uns das im Sitzen besprechen. Diese Unterredung hat sich eher zufällig ergeben, Nicodemus. Deidre ist mir heute Morgen im Gang über den Weg gelaufen und hat sich nach dir erkundigt. Und Magistra Okeke ist erst vor wenigen Minuten, überraschend, vor meiner Tür erschienen.«
    »Ich möchte von dem Jungen etwas über die Prophezeiung des Erasmus hören«, setzte die Wächterin an und musterte zuerst Shannon und danach Deidre mit eindringlichem Blick.
    Nicodemus spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss.
    Shannon wandte sich der Wächterin zu. »Wie ich sehe, hast du dich intensiv mit unserer Gerüchteküche befasst.«
    Den Mund zu einem spöttischen Lächeln verzogen blickte die Druidin von einem zum anderen und fügte hinzu: »Ich bin auch an der Prophezeiung interessiert.«
    Mit zusammengekniffenen Augen taxierte die Wächterin sie.
    Drei große Verfasser magischer Texte zusammen

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