Nicodemus
Wenn nicht, wird womöglich das Gerücht umgehen, du hättest deine Verpflichtungen mit Absicht vernachlässigt, um Angst zu schüren und somit Unterstützung für deine Verbindung zu gewinnen.«
Amadi brummte verärgert. »Ihr wollt mich zwingen, Eure Kakographen vor Eurem imaginären Monster zu beschützen.«
Er setzte sich. »Damit würden wir beide bekommen, was wir wollen.«
»Ich lasse mir nicht gerne drohen, Magister. Schließlich bin ich nicht mehr Eure Schülerin. Ihr könnt mir unmöglich nachweisen, dass ich einer Verbindung angehöre. Zudem stehen mir unter den gegebenen Umständen herzlich wenig Wächter zur Verfügung. Während des Konzils rauben mir die Getreuen des Provost sämtliche Zauberschreiber, damit sie sich um die Gäste kümmern. Aber Ihr habt nicht ganz Unrecht.« Sie zögerte. »Also gut, ich werde nachts zwei Wachen vor dem Speicherturm postieren und zwei werden Nicodemus beschatten. Aber ich werde auch zwei anweisen, Euch zu folgen.«
Shannon verkniff sich ein Lächeln. »Diesen Schutz nehme ich gerne an. Doch wir müssen auch sicherstellen, dass die gefährdeten Jungen Starhaven nicht verlassen. Ich werde meinen Anweisungen noch einmal Nachdruck verleihen, dass auch wirklich kein Kakograph herausgelassen wird. Am besten du versiegelst den Speicherturm zur Nacht und schreibst Schutzwehre für Fenster und Türen. Ich brauche dann die Passwörter, falls ich meine Schüler erreichen muss.«
Bedächtig nickte Amadi. »Abgemacht.«
Shannon tat einen Seufzer der Erleichterung. »Amadi, du wirst dich noch glücklich schätzen, dass du meinen Rat angenommen hast. Jetzt muss ich zum Compluvium, meine Feldforschung wartet. Nicodemus wird auch kommen; ich führe deine Wächter dorthin. Dann können sie uns beide bewachen. Später wartet noch Arbeit in der Hauptbibliothek auf uns.«
Amadi neigte sich vor und senkte die Stimme: »Magister, ich werde im Gimhurst-Turm nach Finns Privatbibliothek suchen. Aber wie schon erwähnt, gibt es keine einschlägigen Beweise, dass die Jungen umgebracht wurden. Bitte, öffnet Euch der Gegenprophezeiung. Zieht es zumindest einmal in Betracht, dass Nicodemus der Unglücksbote sein könnte.« Sie hielt inne. »Ich befürchte fast, dass wir es mit Kräften zu tun haben, die weit unheilvoller sind als ein bloßer Mörder.«
»Magistra«, sagte er, »das befürchte ich auch.«Deidre betrachtete Amadi mit äußerster Gelassenheit. Vor wenigen Augenblicken war die Frau vor ihrer Kammer erschienen, und hatte sie um eine Unterredung gebeten.
»Welches Interesse habt Ihr an Nicodemus Weal?«, fragte die Wächterin; sie hatte sich auf Kyrans Pritsche niedergelassen.
Deidre saß ihr gegenüber auf der zweiten Pritsche. Diese Frage hatte sie erwartet. »Wie Ihr ja bereits bemerkt habt, Amadi Okeke, hatte ich gehofft, der Junge sei der Peregrin, den ich wohlbehalten in meine Obhut nehmen kann. Doch sein Zopf hat meine Hoffnungen zunichte gemacht.« Strenggenommen war das keine Lüge – der Zopf hatte ihre Hoffnungen zunichte gemacht … dass Nicodemus’ Vertrauen leicht zu gewinnen sein würde.
Amadi nickte abwesend. »Druidin, hat Euer Orden Kenntnis von einer Gegenprophezeiung?«
»Ich habe noch nie dergleichen gehört.«
»Selbst unter Zauberern ist die Gegenprophezeiung nicht allgemein bekannt. Sie besagt, dass sich dem Halkyon ein unheilvoller Zauberschreiber entgegenstellen wird, ein Meister des Chaos, der Unglücksbote.«
»Und dieser Meister«, fragte Deidre, »ermordet möglicherweise den Halkyon und hilft den Dämonen, in unser Land zu dringen?«
Die Wächterin nickte. »In der Gegenprophezeiung heißt es, wenn wir den Unglücksboten nicht aufhalten, wird er alle Sprachen korrumpieren. Und die Dämonen werden sein Werk vollenden.«
Deidre ließ sich nichts anmerken. »Und Nicodemus’ ungewöhnliches Mal und seine Schreibfehler lassen Euch glauben, dass er der Zerstörer sein könnte?«
»Zweifellos habt Ihr schon Gerüchte gehört … über Unruhen in Starhaven. Uns sind eine Reihe gefährlicher Fehlzauber und ein paar Unfälle aufgefallen, aber nichts, was Euch als Abgesandte beunruhigen sollte. Als Wächterin ist es meine oberste Pflicht, die Sicherheit während des Konzils zu gewährleisten. Dafür ziehe ich alles in Betracht, was diese sonderbaren Vorkommnisse erklären kann.« Zögernd fuhr sie fort: »Wenn nun den Druiden ebenfalls eine Gegenprophezeiung bekannt wäre und sie Nicodemus als …«
»Wir glauben nicht an eine Gegenprophezeiung«,
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