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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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fiel ihr Deidre ins Wort.
    »Aber vielleicht ist die Gesandtschaft Stummes Sterben anderer Ansicht? Soll ich vielleicht einmal mit den anderen Gesandten sprechen?«
    Deidre schüttelte den Kopf. »Wir glauben überhaupt an gar keine Gegenprophezeiung. Und die Druiden sind nicht einmal sicher, ob das Sterben mit der Prophezeiung in Verbindung steht. Ich fürchte, wir können Euch nicht helfen.«
    »Ich verstehe. Habt Dank für Eure Zeit, Druidin.« Amadi stand auf und ging zur Tür.
    Deidre erhob sich ebenfalls. »Falls ich Euch anderweitig helfen kann, Ihr braucht bloß zu fragen.«
    An der Schwelle blieb Amadi noch einmal stehen. »Vielleicht …«, sagte sie und drehte sich um. »Ich frage mich, ob Ihr mir sagen könntet … ist den Druiden ein Geschöpf bekannt, das scheinbar aus Fleisch besteht, doch beim Dekonstruieren zu Ton zerfällt?«
    Deidre bekam weiche Knie. »Seid Ihr einem solchen Wesen begegnet?«, fragte sie und versuchte eher ungläubig als entsetzt zu klingen.
    Die Wächterin studierte sorfältig Deidres Mienenspiel. »Ihr seid überrascht. Bitte haltet mich deshalb nicht für verrückt.«
    Deidre zwang sich zu einem Lächeln. »Ich halte Euch nicht für verrückt, bloß weil Ihr solche Fragen stellt. Wir müssen für neue Erkenntnisse immer offen sein.« Sie zögerte. »Was, wenn Nicodemus wirklich dieser gefährliche Zauberschreiber aus Euer Prophezeiung ist?«
    Amadi schüttelte den Kopf. »Kein Grund, beunruhigt zu sein. In einer knappen Viertelstunde werden zwei Wächter Tag und Nacht bei dem Jungen sein. Sein Turm wird mit Texten versiegelt. Sobald offenkundig wird, dass er gefährlich ist oder mit der Gegenprophezeiung in Verbindung steht, werden wir ihn zensieren und in eine Zelle sperren.«
    »Ich danke Euch für Eure Offenheit.« Deidre verbeugte sich.
    Die Wächterin erwiderte die Geste und ging. Langsam verklangen ihre Schritte im Gang.
    »Wie viel hast du verstanden?«, fragte Deidre.
    »Genug«, erklang Kyrans Stimme hinter ihr. »Offenbar sind die Schwarzroben auf den Dämonenanbeter gestoßen, den, den du hier ganz in der Nähe vermutet hattest. Muss ich dir die Verwandlung von Fleisch zu Ton erklären?«
    Als sie sich zu ihm umdrehte, konnte sie schon seine Silhouette schimmern sehen, wenngleich der Tarntext noch nicht vollständig zerfallen war. »Nein, verdammt noch mal, das brauchst du nicht.«
    Sein Gesicht kam zum Vorschein, und er sah besorgt aus. »Wir sollten uns den Jungen jetzt gleich schnappen. Sobald wir beim Schrein sind, kann unsere Göttin ihn beschützen.«
    Deidre rieb sich die Augen. »Das geht nicht. Du hast doch gehört, was die Wächterin gesagt hat, sie lässt ihn bewachen.« Vom Reiben tanzten ihr orangeschwarze Pünktchen vor den Augen. »Ky, meinst du, wir könnten den Körper des Verfassers ausfindig machen, und ihn beseitigen, noch während sein Wesen hier herumschleicht?«
    »Nein. Der echte Körper könnte überall sein.«
    Deidre fluchte. »Und wenn es dieser Amadi Okeke einfällt, dass Nicodemus der Unglücksbote ist, dann wird sie ihn zensieren, und er wird im Verlies umkommen.«
    »Im Verlies wäre er vor dem Wesen nicht sicher?«
    Mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck ließ sie die Hände fallen. »Was würde wohl passieren, wenn du ein Lamm gefesselt in einem Pferch liegen ließest?«
    Er verzog das Gesicht. »Die Wölfe würden aus den Wäldern kommen.«

Kapitel 17
    Nicodemus starrte auf die Eintopfreste in seiner Schüssel.
    Die Mittagssonne flutete durch das Refektorium – einen großzügigen lornischen Saal, dessen Wände von durchsichtigen Glasfenstern und Wandteppichen geschmückt waren. Die breiten Dachsparren boten ideale Masten für die Banner der Akademie. Am Tisch weiter unten saßen mehrere Bibliothekare und unterhielten sich leise über die Schreckensnachrichten aus Trillinon.
    Mit dem Löffel zerdrückte Nicodemus die angetrockneten Eintopfreste in seiner Schüssel. Die widersprüchlichsten Gefühle gärten in ihm.
    Vor einer halben Stunde war er mit klopfendem Herzen ins Refektorium gestürmt. Sein Albtraum war so intensiv gewesen wie der Drachentraum in der Nacht zuvor. Er war sich ganz sicher, dass ihm der Mörder auch diesen Traum geschickt hatte, aber er konnte sich nicht vorstellen, was der Schurke mit diesen seltsamen Visionen bezweckte.
    Während er um sein Essen angestanden und nach einem abgeschiedenen Plätzchen Ausschau gehalten hatte, war er im Kopf die albtraumartigen Bilder noch einmal durchgegangen. Je länger er

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