Nie mehr Nacht (German Edition)
Möwenzimmer am Fenster gestanden und eine Zigarette geraucht, da hatte sie mich mit Annik gesehen, mich, wie ich an dem schwarzen BMW stand.
Sie kannte Didier, und sie kannte Annik. Flauberts Sohn war Matrose auf einem Fischtrawler gewesen – wie Maybritts Bruder. Er hatte die Arbeit verloren – wie ihr Bruder und wie so viele alte und junge Seeleute überall an den Küsten im Norden. Nur darum war Didier zurück zu seinem Vater und dessen Firma gegangen.
»Er ist ein guter Mensch«, sagte sie, so wie Annik es gesagt hatte, nur dass Maybritt dabei mit der Glut ihrer Selbstgedrehten einen tragenden Spinnennetzfaden durchsengte. Der silberne Faden wehte in der Nachtluft, und das Netz der Kreuzspinne unterm Holzdach des Kücheneingangs schnellte zusammen.
»Nur wenn Didier traurig ist, muss man vorsichtig sein.« Mit ihren fein geschminkten Augen sah sie mich durchdringend an. »Dann wird er wütend, dann ist er der böse Didier.«
Und Annik hatte angeblich eine Affäre mit einem Familienvater aus Caen. Sie war nett, ja, aber sie war bestimmt nicht so unschuldig, wie sie tat, die kleine Maus!
Die böse Maybritt. So kannte ich sie noch gar nicht. Sie fröstelte, da war wieder Gänsehaut auf ihren Armen, und die Abendkühle schien den Zitronenduft, den sie verströmte, noch zu verstärken.
»War sie wenigstens nett zu dir?«
Es war das erste Mal, dass sie nicht unbekümmert wirkte. Sogar in der Nacht, als Carlo in das Möwenzimmer eingedrungen war, hatte sie bloß seinen Kopf in die Hände genommen und ihn sanft gedrückt.
»Carentan«, sagte ich.
»Carentan? Was meinst du damit?«
»Anniks Freund lebt nicht in Caen, sondern in Carentan.«
»Wo er Familie hat.«
Ihre Empörung war echt, auch wenn sie nicht verriet, was nach ihrer Ansicht Anniks Liaison mit mir zu tun hatte. Lieber nahm sie erneut das Spinnennetz ins Visier.
»Los, gehn wir rein.« Ich schnippte die Zigarette in den Kies, merkte, wie der Impuls wiederkam, sie anzufassen, und griff ihr in den Arm und drückte ihn hinunter.
»Jetzt lass doch die Spinne! Die rächt sich noch und kriecht heut Nacht zu dir ins Bett.«
Natürlich verstand sie die Doppeldeutigkeit, aber sie ging nicht darauf ein, oder vollkommen anders, als ich es erwartete.
Ove und die Jungs waren nach oben gegangen, Margo und Cat räumten den Tisch ab. Ich spürte fast als Stechen, wie die Zeit verstrich. Maybritt rief nach dem Hund, und schon hörte man es bei der Mauer rascheln. Da standen die Schlehenbüsche, die Johannisbeeren. Ein Schatten kam angetrabt, Carlo, hörbar erleichtert.
»Markus«, sagte sie, als ich schon auf den Stufen war.
Im Halbdunkel stand sie vor mir, die Blüten auf ihrem Kleid vollkommen schwarz. »Ich wollte dir sagen, dass ich auf ihn aufpassen werde, nicht nur auf der Heimfahrt, sondern auch in Hamburg werde ich auf Jesse aufpassen, solange du weg bist.«
»Ich danke dir, Britta.«
»Aber du musst auch auf dich aufpassen. Versprich das. Ich meine es ernst. Wir haben dich lieb, Cat und ich und Margo, aber Niels und Ove genauso, auch wenn die es nicht zeigen. Ove hat sich gar nicht von dir verabschiedet, und ich weiß, warum. Wir möchten alle, dass du zurückkommst. Kannst du das bitte versprechen?«
Ich umarmte Margo, die dabei ihre Gitarre festhielt, dann bückte ich mich, stützte mich auf einem Knie auf und nahm auch Carlo in den Arm. Ich sah, wie sein Blick mich kurz streifte, sah aber kein Begreifen darin, und noch einmal stieg mir sein berauschender Schnauzergeruch in die Nase. Weil er es so liebte, klopfte ich ihm zum letzten Mal den Rücken ab. Ich folgte Maybritt auf die Treppe zur Lobby. Sie ging voraus, und ich stieg ihren glänzend rasierten Waden hinterher und hielt dabei Catinka im Arm, die sich an mich presste und schlafend stellte. Als wir oben über den schweren Teppich gingen, drehte sich Maybritt um, lächelte mir zu und ging dann weiter zur großen Treppe, wo an den Wänden die Bilderflut begann. Wir stiegen in den ersten Stock, dann weiter in den zweiten, dabei rührte sich das Mädchen in meinem Arm kein einziges Mal. Cat war leicht und schmal, aber in den Gliedern spürte man ihre kleine Kraft und die Zähigkeit, mit der sie durch den Tag wirbelte.
Vor ihrer Zimmertür nahm mir Maybritt die Kleine ab. In dem dünnen Flurlicht war es kaum heller als draußen im Hotelhof, aber es war hell genug, um Catinkas Auge zu sehen, das von der Brust ihrer Mutter zu mir her blickte. Es ging erst zu, als Maybritt den Arm
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