Nie mehr Nacht (German Edition)
zählte zweihundert Euro von dem Banknotenbündel ab und reichte ihr die Scheine in den Wagen. »Bitte nehmen Sie. Sie haben mir wirklich sehr geholfen.«
Sie nahm das Geld nur, weil ich nicht lockerließ. Als sie es endlich in ihre Paillettenhandtasche stopfte, fragte ich, ob sie etwas von dem amerikanischen Kaufinteressenten gehört hatte.
»Ende des Jahres ist Schluss hier«, sagte sie durch das offene Fenster. »Dann rücken die Bulldozer an. Monsieur Flaubert überlegt, sich selber zwei anzuschaffen. Dieser Ami will den alten Kasten kräftig rausputzen, angeblich sogar mit Poollandschaft. Na, ich werd es erleben! Wissen Sie was? Ich werde Ihren Mercedes kaufen. Und irgendwann werde ich Serge damit ins L’Angleterre kutschieren und hier ein Wellnesswochenende mit ihm verbringen. Keine gute Idee? Entschuldigung, ich bin so aufgekratzt. Ich bin so froh, weil ich ihn gleich sehe …«
3
Z u meinem Abschiedsessen mit Juhls hatte Margo durchgesetzt, dass sie den ganzen Abend bestimmen konnte, welche Musik gespielt wurde. Sie hörte am liebsten Imogen Heap, ansonsten fast nur ältere Bands, bei denen eine Frau sang, deshalb gefiel ihr auch das Fleetwood Mac-Album, das ich ihr geschenkt hatte, und als ich am frühen Abend in die Küche hinunterkam und dort gerade »Tusk« lief, lächelte sie, als sie mich sah, und machte ein paar Tanzschritte auf Jesse und ihren Bruder zu, die aber bloß wie zwei hungrige junge Wölfe in der Gegend herumstanden und die Augen verdrehten.
Margo zeigte ihre Traurigkeit über die Abreise, indem sie sich ganz und gar schwarz anzog, ihre Mama dagegen hatte sich richtig schick gemacht. Maybritt trug ein enges Sommerkleid mit großen roten Blütenkelchen, dazu ein weißes Strickjäckchen und einen Hauch von Seidenschal. Während sie in der Küche umherging und ein Restebüfett zusammenstellte, von dem jeder nehmen sollte, was ihm gefiel, verteilte sich ihr Parfum im Raum, ein zart zitroniger, so gar nicht herbstlicher Duft. Überrascht, was alles auf dem Tisch stand, setzte ich mich. Brot, Aufschnitt, Salate und Früchte reichten für mehrere Abende, ein tagelanges Abschiedsmahl. Juhls mussten noch einmal in Bayeux gewesen sein, und Maybritt und Ove hatten dort nicht nur für die Heimfahrt eingekauft, sondern auch für mich, die erste Zeit, die ich im L’Angleterre auf mich gestellt sein würde. Der Volvo war reisefertig, frühmorgens wollten sie aufbrechen. Die schöne Frau Juhl lachte. Sie sah sich schon, rief sie, die Einzige, die aus den Federn kam! Ihr Sohn protestierte, und auch Catinka war empört und verkündete, überhaupt nicht ins Bett gehen zu wollen.
Margo sang Imogen Heaps »Hide and seek« mit, während ihr Vater mit vollem Mund wissen wollte, wer denn hier wohl zwei Wochen lang jeden Morgen um fünf aufgestanden war. Er fragte auf Deutsch, damit auch ich begriff, dass hier ein Disput bestand.
Maybritt lachte immer noch. Sie erwiderte etwas Dänisches, offenbar eine dänische Gemeinheit, denn Ove zog eine Grimasse und tat, als wäre die Essiggurke auf seinem Teller eine Handgranate. Zögernd entsicherte er sie und wartete mit zusammengekniffenen Augen, dass sie in seiner Faust detonierte. Aber nichts passierte. Alles starrte gebannt auf die grüne Granate.
Es gab Majoranhühnchen. Margo erzählte, dass sie einmal mit Jesse und Niels auf dem Altonaer Fischmarkt gewesen war und dass sie aus einer Laune heraus ein Huhn gekauft hatten, ein echtes, lebendiges, für zehn Euro. Das Huhn kam in einen Karton. Mit der S-Bahn brachten sie es nach Haus, und in Niels’ Zimmer ließen sie es frei.
»Oh ja. Margrethe II.!«, rief Maybritt. »Es hieß wie unsere Königin. So ein Zufall.«
»Es lebte eine Woche in Niels’ Zimmer und kackte in sein Bett«, sagte Cat.
Margo erzählte weiter: »Wir mussten es einfangen. Es kam zurück in den Karton. Alle Mann in den Volvo … so kam die gerettete Margrethe II . aufs Land, zum Bauernhof eines Freundes von Papa.«
Carlo stand mitten in der alten Hotelküche, in der wir ein und aus gegangen waren, und bellte mit seiner jungen tiefen Stimme zu unserem Lachen. Dann sagte Margo ein Wort zu ihm, das keiner außer ihnen beiden verstand, und Carlo kam zu ihr und war still.
Draußen im Hof tauchte er mit ganzer Riesenschnauzerwucht in die dunklen Büsche bei der Mauer. Unter dem Herbstnachthimmel rauchend erzählte Maybritt von ihrem Tag. Sie hatte nur gepackt und war durch die Zimmer gewirbelt. Einmal hatte sie oben in dem gesäuberten
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