Nie wieder Ferienhaus
Dekadenz ist, die auch mir auf einem Campingplatz so richtig Spaß macht.
Es dauerte nur Sekunden, schon lag ich auf dem Bauch und beäugte die unter dem Wohnwagen liegende Pracht. Ich kannte diese Billig-Stapel-Plastik-Weinregale, diese Dinger, auf die man sechs Flaschen Wein legen konnte, und wenn man eine siebte Flasche geschenkt kriegte, dann kaufte man sich für zwei Euro ein neues Regal und stapelte das dann über das erste.
Solche Produkte entstehen, wenn man zwei Produkt-Designer eine Nacht lang mit drei Flaschen Wein kreuzt, dachte ich. Unter einem Wohnwagen kann man diese Produkte einer durchtrunkenen Designer-Nacht natürlich nicht stapeln. Ulla und Ralf hatten zwei davon nebeneinander gelegt, und nachdem der Volnay entnommen war, lagerten dort noch sieben Flaschen. »Wir haben hier im Sommer eine ziemlich konstante Temperatur von ungefähr zwölf Grad unter dem Wohnwagen, und die Luftfeuchtigkeit ist doch optimal!«, meinte Ralf.
Wir haben uns für den Wein mit Drumsticks und Satespießchen revanchiert. Zwei Drumsticks , zwei Spieße und ein Stück Bauchfleisch – mehr auch nicht – passten zeitgleich auf unseren neuen Grill. Es hat schon ein bisschen länger gedauert, bis wir alle satt waren.
Tristan und Edda waren zwischendurch immer wieder auf dem Spielplatz oder in einem Nachbarvorzelt verschwunden. Aber ich machte mir keine Sorgen. Wenn die Vererbungslehre nicht eine völlig an den Haaren herbeigezogene Wissenschaft ist, dann würden die beiden in relativ kurzen Abständen immer wieder nach Hause kommen, zumindest, wenn wir grillten!
Bei Tristan waren die Abstände kürzer. Edda war ja auch vollauf beschäftigt. Die neue Freundin hieß Mareike, und – auch wenn der Vorname etwas anderes vermuten ließ – sie kam aus Oberhausen.
Wir saßen mit Ulla und Ralf zwischen unserem Vorzelt und dem neuen Windschutz. Im Grill war nur noch ein bisschen Glut zu erahnen, als Ralf sagte: »Zehn Uhr!«
Ralf trug keine Armbanduhr. »Wenn der Tisch draußen feucht wird, ist es zehn Uhr abends. Fast immer!« Tatsächlich, auf dem Tisch hatten sich kleine – wie soll man das nennen? – Tautröpfchen gebildet. »Das ist hier immer so. Wenn man sich so einen Pavillon hinstellt, kann man noch ein bisschen länger draußen sitzen, nur wenn der nächste Windstoß kommt, kann man sich gleich einen neuen Pavillon kaufen. Man kann aber genauso gut reingehen!«
Es war ein angenehmer Besuch, und ich hatte wirklich was gelernt!
Tristan schlief oben, und Edda schlief unten. Es war fast halb elf, als wir die beiden endlich mit geputzten Zähnen und gewaschenen Gesichtern im Bett hatten.
Wir haben draußen noch ein bisschen aufgeräumt. Ich habe noch kurz bei Norbert vorbeigeschaut, der Dynamo lief jetzt wieder, er hatte auf dem Metallmüll einen Chromabschluss für den Kettenkasten gefunden, der passte zwar nicht ganz, aber der würde passend gemacht. Nur die Vorderradbremse tat es einfach nicht. Dabei war das Gestänge komplett und das Rad mit der Trommelbremse nagelneu. Ein Rätsel, aber er würde es lösen.
Anne wollte unbedingt noch zur Wasserette , um die Teller direkt abzuspülen. Als sie zurückkam, blieb sie noch – mit der Spülschüssel unterm Arm – bei Ulla stehen.
»Die machen hier auf unserem Feld am Samstag ein Barbecue. Da stellen alle ihren Tisch und die Stühle in die Mitte und die Grills zusammen, und dann gibt es eine Party. Ulla wollte wissen, ob wir am Samstag schon was vorhaben.« – »Ich habe keinen Kalender dabei!«
»Wenn wir noch mal so einen Urlaub machen, dann bringe ich meinen Wein auch von zu Hause mit!« Der Gedanke ließ mich nicht los. Vor meinem geistigen Auge saß ich mit dem neuen Grass und einem Château Mouton Rothschild vor dem Vorzelt in einem Klapp-Ohrensessel.
»Was heißt ›Wenn wir noch mal so einen Urlaub machen …‹!« – »Sollen wir nicht lieber mal darüber nachdenken, was wir in diesem Urlaub machen? Es ist eine lange Sommernacht, unser Wohnwagen verfügt über ein französisches Bett …!«
Als wir unser fahrbares Schlafzimmer bestiegen,schliefen die beiden Mäuse tief und fest. Sie lächelten sogar noch im Schlaf. Man konnte in den kleinen Gesichtern lesen, dass sie einen ganz tollen Tag gehabt hatten.
Es war ein herrliches Bild, wie sie da in unserem französischen Bett lagen. Wir haben uns dann dazwischen gekrümelt. Anne gab mir den Gutenachtkuss irgendwie über Tristan hinweg. Es war eine gymnastische Glanzleistung, ihn dabei nicht zu wecken.
Ich
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