Nie wirst du vergessen

können. Lauren versuchte den Kloß herunterzuschlucken, der sich in
ihrem Hals gebildet hatte.
    „Lieber Gott", flüsterte sie und lehnte sich mit
geschlossenen Augen an die Wand, „lass meine Kinder gesund und geborgen sein.
Bitte. Und hilf mir, sie zu finden."
    Zum tausendsten Male fragte sie sich, warum Doug ihr
Alicia und Ryan weggenommen hatte. Die Trennung verlief damals in
beiderseitigem Einvernehmen, zunächst ohne Hass und schmutzige Wäsche, die den
Kindern keinen Schaden zufügen würde.
    Als Lauren sich an ihre Ehe erinnerte, schüttelte sie
den Kopf. Wie jung und dumm sie gewesen war, an romantische Träume zu glauben.
    Sie ging in die Küche und stellte den Wasserkessel auf
den Herd, um sich einen Tee aufzubrühen. Die ganze Zeit dachte sie daran, welch
unglückliche Umstände zu der Heirat mit Doug geführt hatten.
    Ihre Eltern waren arm, aber glücklich verheiratet
gewesen. Da ihr Vater glaubte, dass es woanders besser sein müsse, zog er von
einer Stadt zur anderen. Sowohl er als auch ihre Mutter hatten ihr einziges
Kind über alles geliebt. Lauren war ebenfalls glücklich gewesen - bis ihre
Eltern bei einem Bootsunglück auf dem Willamette River ums Leben gekommen
waren.
    Das Jugendamt teilte Lauren, die damals bei Freunden
war, die traurige Nachricht mit. Sie unterstand, da sie noch minderjährig war,
dem Amt, das sich um sie kümmerte. Eines Tages brachte eine freundliche, aber
sehr eilige Fürsorgerin sie zu Laurens einziger Verwandten, einer
unverheirateten Tante von etwa vierzig Jahren, die in Medfort lebte.
    Tante Lucy war nicht sehr begeistert, für ihre
sechzehnjährige Nichte sorgen zu müssen. Noch heute hörte Lauren deutlich die
Worte: „Das sieht deinem Vater wieder einmal ähnlich, mir so etwas anzutun.
Martin hat noch nie viel Vernunft gehabt. Nun, mir bleibt wohl nichts anderes
übrig, als dich aufzunehmen."
    Tante Lucy gab Lauren einen winzigen Raum im
Dachgeschoss, und Lauren war so von Kummer überwältigt, dass sie nicht fragte,
was Tante Lucy mit all den Sachen aus Laurens Elternhaus gemacht hatte. Erst
viel später stellte sie fest, dass Tante Lucy alles verkauft und das Geld
eingesteckt hatte. Wahrscheinlich sah sie das als ihr gutes Recht an, weil sie
damit in den zwei Jahren, die Lauren bei ihr verbrachte, wenigstens einen Teil
der Unkosten decken konnte.
    Lucille Scott, wie Tante Lucy mit richtigem Namen
hieß, war eine auffallende Frau, die jede Verantwortung ablehnte und nur ein schönes
Leben wollte. Dieses ermöglichten ihr einige ältere Herren, die sich Lauren nur
mit Vornamen vorstellten. Diese „Gentle- men" halfen der unverheirateten
Lucy ein wenig über die Langeweile ihres Lebens und den schlecht bezahlten Job
beim Staat hinweg.
    Lauren litt sehr darunter, wie unwillkommen sie ihrer
Tante war und nahm sich vor, so schnell wie möglich deren ungastliches Haus zu
verlassen. Das gelang ihr, als sie ein Stipendium für die Universität und einen
Aushilfsjob bekam. Sie verließ Tante Lucy und zog in ein kleines Apartment in
der Nähe der Universität.
    Nach vier Jahren Studium begegnete sie Douglas Regis,
der Assistent bei dem Professor für Betriebswirtschaft war. Während des
Studiums hatte Lauren wenig Zeit, auszugehen. Doug war der erste Mensch seit
dem Tod ihrer Eltern, der ihr sagte, dass er sie liebte.
    Bald darauf heiratete sie ihn und hatte das Gefühl,
dass ihr nun die ganze Welt gehörte. Sie arbeitete bis zu Alicias Geburt und
genoss es zutiefst, Mutter zu sein. Aber kurz nach der Geburt ging es mit der
Ehe abwärts. Nicht nur fehlte Laurens Gehalt, und sie mussten sich
einschränken, sondern Doug verlor auch noch seinen Posten an der Universität,
der wegrationalisiert worden war. Zwei Jahre folgten, in denen er
verschiedene Stellen annahm und schnell wieder verlor.
    Nach jeder verlorenen
Stellung war Doug verbitterter geworden. Aber er trug die Schuld an seinem
Unglück selbst. Ganz gleich, wo er arbeitete, jedes Mal redete er sich ein,
Feinde in der Firma zu haben, die ihn loswerden wollten. Kein einziger Job
dauerte länger als ein paar Monate.
    Dann begann Doug zu
trinken.
    Nach Ryans Geburt war
die kleine Familie nach Portland gezogen. Obwohl sich Lauren um Doug große
Sorgen machte, hatte sie das Gefühl, dass sie hier in einer neuen Stadt wieder
zueinanderfinden und so glücklich wie zu Beginn ihrer Ehe werden könnten. Und
als Doug einen Posten in einer Finan- zierungsfirma bekam, feierten sie das
Ereignis mit einer Flasche Champagner. Doch