Nie wirst du vergessen
ihm, Lauren Regis und ihr Anliegen
schleunigst zu vergessen. Aber seltsamerweise brachte Zachary es nicht über
sich, diese Frau wegzuschicken. Vor allem ihre Augen fesselten ihn. Sie waren
von einem Grün, wie er es noch nie gesehen hatte. Umgeben von langen dunklen
Wimpern verrieten sie überdurchschnittliche Intelligenz und großen Stolz.
Diese Mischung war selten, und sie rührte an eine verborgene Stelle in Zacharys
Herz. Er betrachtete versonnen den weichen Mund, der etwas Verlockendes an
sich hatte, und das kastanienbraune
Haar, das ihr in schimmernden Locken auf die Schultern
fiel.
Du bist ein Narr, dachte Zachary. Ein verdammter Narr,
weil du dich von einem schönen Gesicht und diesen Augen fesseln lässt. Hast du
aus der Sache mit Rosemary vor fünf Jahren denn nichts gelernt?
Er atmete tief durch und führte Lauren in sein Büro,
das sich an der Rückseite des Elliott-Gebäudes befand. Zwar konnte man vom
Fenster aus auf den Willamette River und die Broadway-Brücke sehen, dennoch war
es kein sehr anheimelnder Raum. Alle möglichen Akten, Dokumente und zerlesenen
Gesetzbücher stapelten sich in dem schlichten, nüchternen Raum.
Trotzdem fühlte Lauren neue Hoffnung in sich aufsteigen.
Vielleicht war Winters wirklich der Mann, der ihr helfen konnte. Aber gleich
meldete sich eine kleine warnende Stimme in ihrem Innern. Erwarte keine Wunder,
Lauren. Du bist schon einmal so weit gewesen, und wohin hat es letztlich
geführt? In eine Sackgasse!
Sie konnte gar nicht mehr zählen, wie oft im
vergangenen Jahr all ihre Hoffnungen zerstört worden waren. Aber sie hatte
sich dennoch nicht entmutigen lassen und jedes Mal die quälende Suche nach
ihren
Kindern neu begonnen.
Zachary entfernte einen Stapel juristischer Fachzeitschriften
von einem Ledersessel, der neben seinem Schreibtisch stand. „Setzen Sie
sich", forderte er Lauren auf und öffnete einen Spaltbreit das Fenster.
Der kühle Herbstwind wehte in den stickigen Raum. Dann legte Zachary die
Zeitschriften auf den Boden vor ein überfülltes Bücherregal und wischte sich
mit dem Handtuch, das um seinen Hals hing, den Schweiß von der Stirn.
Lauren betrachtete das Durcheinander, das überall
herrschte, mit einem unguten Gefühl. Offensichtlich beschäftigte sich Winters
nicht viel mit juristischen Dingen und übte seinen Beruf kaum noch aus. Missbilligend
schaute sie auf die vielen Schriftstücke und Dokumente, die seinen Schreibtisch
bedeckten. Ihr war bei all der Unordnung und dem durchdringenden Blick des
Anwalts sehr unbehaglich zumute.
Zachary schien ihre Gedanken zu lesen. „Die Putzfrau
hat ihren freien Tag", entschuldigte er sich mit einem entwaffnenden
Lächeln. Er rückte einige Akten und Schriftstücke auf dem Schreibtisch gerade
und blickte sich dann mit einem so merkwürdigen Gesichtsausdruck um, als fiele
ihm das Chaos zum ersten Mal auf.
Lauren saß mit verkrampften Händen auf dem Rand des
Sessels. Niedergeschlagen überlegte sie, ob es gut gewesen war, sich diesem ...
diesem Jogger - oder was er sonst sein mochte - regelrecht aufgedrängt zu
haben.
„Was kann ich also für Sie tun?", erkundigte sich
Winters. Er schob die Ärmel des abgetragenen Sweat- shirts hoch und lehnte sich
in seinem Schreibtischsessel zurück.
Lauren holte tief Luft. „Mr. Winters ..."
„Zachary, bitte." Als sie nicht gleich
antwortete, grinste er breit. Es war ein unglaublich strahlendes, etwas
schiefes Grinsen, das seltsame Dinge in Laurens Innerem anrichtete. Wenn er
dieses jungenhafte Lächeln im Gerichtssaal anwendet, dachte sie, bringt er
damit wahrscheinlich den unwilligsten Zeugen zum Reden. Er fügte hinzu: „Das
macht alles viel einfacher, meinen Sie nicht auch?"
Sie nickte stumm, denn seine ungezwungene Art
überraschte und beunruhigte sie. Was sollte sie mit diesem Mann anfangen? Sie
brauchte einen starken, überlegenen, energischen Anwalt, der hart und unbeirrt
nach ihren Kindern suchte. Doch dieser Zachary Winters in den Joggingshorts und
dem Sweatshirt entsprach überhaupt nicht dem Bild, das sie sich von ihm gemacht
hatte.
„Sie brauchen also einen Rechtsbeistand, nicht
wahr?", fragte Zachary. Und Lauren kam es vor, als sei er wirklich
interessiert.
„Ja. Patrick Evans hat Sie mir empfohlen." Als
sie den Namen nannte, zuckte Zachary kaum merklich zusammen. Doch Lauren hatte
es gesehen. „Er gab mir Ihre Visitenkarte", fuhr sie fort und reichte Zachary
die vergilbte Karte. Er nahm eine Lesebrille aus der
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