Nie wirst du vergessen
Zachary zur Eingangstür. Es gelang ihm erst nach einigen Versuchen,
das selten benutzte Schloss aufzuschließen. Dann tastete er nach dem Schalter
im Korridor und schaltete das Licht ein. Mit dem Körper hielt er die Tür für
Lauren auf und deutete mit dem Kopf auf das nun hell erleuchtete Innere des
Hauses.
„Geh schon hinein, Lauren. Es sieht nach nichts
Besonderem da drinnen aus, aber wir werden hier wenigstens allein und
ungestört sein."
Dieser Gedanke ermutigte Lauren, die an der Schwelle
ein wenig gezögert hatte. Zwei Tage allein mit Zachary Winters. Zwei Tage kein
Telefon, keine Northwestern Bank und kein Mason-Fonds.
Die Möbel waren abgenutzt, aber solide gearbeitet und
gemütlich. Die Wände bestanden aus hellem Fichtenholz, die Fenster hatten
Butzenscheiben, und schwere Balken zogen sich über die Decke. Ein Kamin aus
dunklen Steinen stand in einer Ecke. Die Feuerstelle war leer und verrußt. Das
ganze Häuschen wirkte kalt und selten bewohnt.
Zachary warf seine Tasche auf die Couch und stellte
die Tüte mit den Lebensmitteln auf den Tresen, der die Küche vom Wohnraum
trennte. „Ich war lange nicht mehr hier", sagte er, als er bemerkte, wie
gründlich Lauren sich umschaute.
„Seit wann denn
nicht?"
Er zuckte die Schultern. „So genau weiß ich das nicht.
Vielleicht vier oder fünf Jahre."
Lauren verstand Zachary nicht. Dieses Haus konnte ein
warmes, gemütliches Zweitheim sein, wenn man sich nur ein bisschen Mühe gab.
Warum war Zachary wohl so selten hier? Sie hätte eher gedacht, dass er viel
Zeit in diesem Haus verbrachte.
„Ich weiß nicht", wiederholte er. „Vielleicht
hatte ich zu wenig Zeit und war immer zu beschäftigt."
„Natürlich, mit all der vielen Arbeit in der Kanzlei",
sagte sie spöttisch.
Zachary warf ihr einen strengen Blick zu. „Tut mir
leid", entschuldigte sie sich hastig. „Das war ein blöder Witz." Sie
warf ihre Jacke auf die Couch und lächelte Zachary an.
„Hier werden eine Menge unguter Erinnerungen
wach", erklärte er nach einer Weile. Ihm schien dieses Thema nicht sehr
angenehm zu sein.
Lauren begriff, dass er zum ersten Mal von der Zeit
gesprochen hatte, in der seine Frau gestorben war, Rosemary, die ein Kind
erwartet hatte und durch einen Autounfall ums Leben gekommen war. Das Unglück
musste sich ereignet haben, als Rosemary und Zachary hier in diesem Haus ein
ruhiges Wochenende miteinander verbringen wollten.
Lauren hatte die Geschichte von Bob Harding erfahren,
der allerdings keine näheren Einzelheiten wusste. Und nun fügte sich für Lauren
einiges zusammen. Jetzt begann sie zu verstehen, warum Zachary seit damals
nicht mehr zu dem Haus auf den Klippen zurückgekehrt war. Nicht weit von hier
hatte Rosemary, die schöne Frau, die er liebte und verehrte, ihr Leben
verloren.
„Zachary, ich wollte dich nicht etwa ausfragen",
sagte Lauren und rieb sich die Arme. Ihr war auf einmal sehr kalt geworden.
„Das hast du nicht getan, Lauren." Er ging zur
Tür. „Mach dich schon einmal mit der Küche vertraut. Ich kümmere mich um das
Kaminfeuer, falls ich trockenes Holz finde."
„Genau wie daheim", lächelte Lauren. Auch bei ihr
hatte Zachary in den vergangenen zwei Wochen immer das Kaminfeuer angezündet.
An der Tür drehte Zachary sich noch einmal um und
schenkte Lauren ein so gewinnendes, warmes Lächeln, dass ihr das Herz weit
wurde. „Ja, genau wie daheim."
Schnell fand Lauren sich in der Küche zurecht. Sie
wärmte das Irish Stew auf, das sie in einem Restaurant gekauft hatten. Dann
toastete sie einige Scheiben Weißbrot und bereitete einen Salat. Zachary
beschäftigte sich inzwischen mit dem Kaminfeuer, wobei er abwechselnd über den
schlechten Abzug fluchte und zwischendurch in den feuchten Scheiten herumstocherte,
die nicht richtig brennen wollten.
Eine Stunde später waren Lauren und Zachary mit dem
Abendessen fertig und setzten sich auf den Boden des Wohnzimmers. Beide hatten
die Schuhe ausgezogen und wärmten die nackten Füße an den warmen Steinen des
Kamins. Zachary hatte seinen Arm um Laurens Schultern gelegt, und sie saß an
die burgunderrote Couch gelehnt und trank Wein aus einem schönen Kristallglas.
Als eine kurze Pause in der Unterhaltung entstand,
lauschte Lauren dem Sturm und glaubte, die gewaltigen Brecher am Strand an die
Felsen krachen zu hören. Der Wind fegte heftig durch die verwachsenen Tannen
auf den Klippen und durch das hohe Gras um ihre Wochenendbehausung.
„Wer kümmert sich eigentlich um das Haus?",
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