Nie wirst du vergessen
Mal. Nervös trommelte Lauren mit den Fingerspitzen auf den
Hörer. „Melde dich schon!", flüsterte sie. Endlich nahm jemand ab.
„Hallo?" Es war dieselbe Stimme wie auf dem
Anrufbeantworter. Laurens Herz fing auf einmal an zu rasen.
„Hallo! Mein Name ist Lauren Regis. Könnte ich Sherry
Engles sprechen?"
Eine bedrückende Pause entstand. Dann: „Ich bin Sherry
Engles und habe gestern bei Ihnen angerufen."
Nun klopfte Laurens Herz so laut, dass sie kaum ihre
eigene Stimme hören konnte. Das war die Frau, mit der Doug ein Verhältnis
gehabt hatte. Vielleicht konnte ihr Sherry helfen, Alicia und Ryan aufzuspüren.
„Sie sagten, dass Sie etwas über meine Kinder wüssten."
„Ich bin mir nicht ganz sicher. Meine Freundin in
Portland hat Sie in dieser Sendung gesehen, ,Eye Witness' oder so
ähnlich."
„,Eye Contact'."
„Stimmt. Also, meine Freundin erinnerte sich, dass ich
... äh ... dass ich vor einigen Jahren mit einem Mann namens Doug Regis
befreundet gewesen war. Sie gab mir Ihre Telefonnummer."
„Ich verstehe", erwiderte Lauren etwas spröde.
„Hören Sie, die Sache mit Ihren Kindern tut mir sehr
leid. Ich hätte nicht gedacht, dass Doug zu so etwas fähig wäre."
Lauren zwang sich zur Ruhe. „Wissen Sie, wo er sich
jetzt aufhält?"
„Das kann ich nicht vollkommen sicher sagen."
Laurens Herz zog sich zusammen. „Aber Sie ..."
„Ich habe nur eine Telefonnummer, die er mir gab.
Allerdings schon vor einem Jahr. Ich weiß nicht einmal, ob sie überhaupt noch
stimmt. Doug und ich hatten uns gestritten. Ich wollte nicht mit nach Boise
ziehen. Seitdem habe ich ihn nicht mehr angerufen und auch nichts von ihm
gehört."
„Boise?", wiederholte Lauren mit neuer Hoffnung.
„Ja. Doug ist dorthin gezogen."
„Mit den Kindern?"
„Das
weiß ich nicht." Sherrys Stimme hörte sich ehrlich an. „Ich wollte nichts
mehr mit ihm zu tun haben. Inzwischen bin ich verheiratet. Als ich Bill - das
ist mein Mann - kennenlernte, interessierte ich mich nicht mehr für Doug. So,
ich gebe Ihnen jetzt die Nummer."
Laurens Hände zitterten so sehr, dass sie die Telefonnummer
kaum auf den Block schreiben konnte. Als sie es mühsam geschafft hatte, blickte
sie zu Zachary hinüber. Er lehnte mit verschränkten Armen am Kamin.
„Haben Sie die Nummer notiert?", fragte Sherry
ein wenig ungeduldig. Sie wollte offenbar das Gespräch so schnell wie möglich
beenden. „Ja. Dürfte ich Sie besuchen, oder hätten Sie etwas dagegen?"
Sherry zögerte. „Ich halte das für keine sehr gute Idee", erwiderte sie,
und man hörte ihr das Unbehagen an. „Die Sache mit Doug ist längst vorbei, und
ich erinnere mich auch nicht gern daran."
Lauren überlegte verzweifelt. Sie durfte nicht zulassen,
dass sich die einzige Verbindung, die sie zu ihren Kindern hatte, in Luft
auflöste. „Bitte, verstehen Sie mich. Ich muss meine Kinder finden. Und Sie
sind vielleicht der einzige Mensch, der mir dabei helfen kann."
„Ich weiß nicht recht
..."
„Wie wäre es, wenn mein Anwalt zu Ihnen käme?"
„Ihr Anwalt! Oh, ich
hätte nicht anrufen sollen!", rief Sherry entsetzt. „Bill bringt mich
um."
„Sherry, bitte regen Sie sich nicht auf'', bat Lauren.
„Was mit Ihnen und Doug gewesen ist, spielt doch jetzt überhaupt keine Rolle
mehr. Ich empfinde nichts mehr für meinen geschiedenen Mann. Schon lange nicht
mehr. Aber mein Rechtsanwalt - er heißt Zachary Winters - ist mir bei der Suche
nach meinen Kindern behilflich. Und wir brauchen jede Hilfe, jetzt vor allem
Ihre, Sherry."
„Ich möchte aber nicht wieder die ganze Vergangenheit
aufwühlen. Bill ... also Bill hat es nie gemocht, dass ich Doug treffe und
..."
Lauren unterbrach sie. „Ich will Ihnen unter gar
keinen Umständen irgendwelche Schwierigkeiten machen. Mir geht es einzig und
allein um meine Kinder. Es fällt mir nicht leicht, Sie um Ihre Hilfe zu bitten,
das werden Sie verstehen, aber ... aber ich habe ja keine andere Wahl."
Sherry seufzte tief auf. „Wahrscheinlich begehe ich
jetzt einen Riesenfehler. Aber nun ja, ich bin bereit, mit Ihrem Anwalt zu
sprechen. Es darf nur keinen Ärger für mich geben."
„Ganz bestimmt nicht, Sherry."
„Okay. Also ich wohne im Nordosten von Seattle, in
Woodinville. Ihr Anwalt soll mich anrufen, wenn er in der Stadt angekommen ist.
Ich erkläre ihm dann,
wie
er zu mir kommen kann."
„Danke", sagte Lauren erleichtert. „Ich bin mir
be- wusst, dass dieses Gespräch auch für Sie nicht leicht gewesen ist."
Lauren legte auf
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