Niedersachsen Mafia
Geldvermehrung liefern. Ich vermute dahinter eine
Geldwaschanlage.«
»Wir zwei gegen die Mafia«, brummte Putensenf. »Die werden richtig
tief beeindruckt sein, wenn eine Frau und ein Seniorpolizist dort auftauchen.«
Die sind beeindruckt, sagte Frauke zu sich selbst. Sonst hätte
Friedrich Rabenstein nicht sterben müssen.
Sie überließ Putensenf das Steuer des Dienstwagens. Zumindest in
diesem Punkt durfte er seine, wenngleich auch oft nur gespielte, Aversion gegen
Frauen im Polizeidienst ausleben, die seiner Meinung nach nicht ans Ruder
gehörten.
An der Zufahrt zum Großmarkt stießen sie auf denselben Pförtner, der
ihnen schon früher Schwierigkeiten bereiten wollte.
»Gehen Sie zur Sitzung des Ortsverbandes Ihrer Partei, wenn Sie
diskutieren möchten«, riet ihm Putensenf. »Und jetzt machen Sie die Luke auf.
Aber fix.«
Das schien den Mann beeindruckt zu haben. Er ließ die Schranke in die
Höhe schweben.
Auf dem Gelände herrschte die gewohnte Betriebsamkeit. Sie mussten
Gabelstaplern, anderen Förderfahrzeugen und emsig hin und her eilenden Leuten
ausweichen.
»Bei dieser Hektik sollte man meinen, die Bananen gammeln im
Stundenrhythmus«, sagte Putensenf.
Der Stand des italienischen Gemüseimporteurs unterschied sich auf
den ersten Blick nicht von anderen. Trotzdem wirkte er eine Spur ruhiger. Im
Glaskasten, der als Büro diente, saß Johanna mit glühenden Wangen hinter ihrem
Schreibtisch, ignorierte das Klingeln mehrerer Telefone und versuchte, einem in
radebrechendem Deutsch antwortenden Arbeiter zu erklären, welche Tätigkeit er
verrichten sollte. Der Mann hatte die Hände tief in die Taschen seiner Latzhose
vergraben und grinste die Kontoristin an.
»Nix verstehen«, sagte er breit. »Warum du als Frau wollen befehlen?
Wo sein Chef, eh?«
Frauke sah Johanna an, dass sie kurz vor Ausbruch der Tränen stand.
Hilflos, fast resignierend versuchte sie, dem Arbeiter verständlich zu machen,
welche Waren zu einer Lieferung zusammenzustellen seien.
Ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen, hob der Mann die Schultern
bis auf Ohrenhöhe an. »So geht nicht«, erklärte er.
»Ja, wie denn?« Johanna war am Ende ihrer Kräfte.
»Wenn du Frau Befehle willst geben, du musst wissen, wie.«
»Pass mal auf«, mischte sich Putensenf ein. »Bei uns macht es keinen
Unterschied, ob der Boss eine Frau oder ein Mann ist. Ist das klar?«
»Was du willst?«, fragte der Arbeiter mit drohendem Unterton.
Putensenf hielt ihm den Polizeiausweis vor die Nase. »Es gibt zwei
Möglichkeiten. Entweder machen Sie jetzt das, was die Dame sagt, oder Sie haben
viel freie Zeit und können mir eine Unmenge Fragen beantworten. Wie heißen Sie?
Wo wohnen Sie? Haben Sie Ihre Steuer bezahlt? Wo ist die Arbeitserlaubnis? Die
Meldebescheinigung?«
»Eh, schon gut, Mann«, sagte der Arbeiter und hob beide Hände in die
Höhe. »Ich mach ja schon.« Dann drehte er sich um und verschwand in die Halle.
»Danke«, stöhnte Johanna und schenkte Putensenf einen langen Blick.
Sie holte tief Luft und atmete durch. »Ich schaffe das nicht. Ich bemühe mich,
aber heute läuft alles schief.«
»Wo ist Ihr Chef, Herr Rossi?«, fragte Frauke.
»Das ist es ja. Den kann keiner vertreten. Der hat alles im Griff.«
Sie sah hilflos aus. Jetzt stahl sich eine Träne aus den Augenwinkeln und lief
an der Nase abwärts. »Der ist nicht gekommen. Das hat es noch nie gegeben.
Einfach so – ohne sich zu melden.«
Frauke stutzte. »Haben Sie ihn nicht telefonisch erreicht?«
»Nein. Nicht zu Hause. Und auch nicht auf seinen beiden Handys.«
Frauke ließ sich die Telefonnummern geben und versuchte es selbst.
Vergeblich.
»Wo wohnt er?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht genau«, stammelte Johanna. »Ich müsste nachsehen.«
Umständlich kramte sie in ihrem Schreibtisch. Wie unter einem Peitschenhieb
zuckte sie zusammen, als das Telefon erneut schnarrte. »Da ist es nicht.« Sie
legte den Zeigefinger an die Unterlippe und dachte nach. »Vielleicht da«,
murmelte sie und durchsuchte einen Aktenordner, den sie einem Regal entnommen
hatte. Plötzlich fuhr ein erleichtertes Strahlen über ihr Gesicht. »Da.« Ihr
Finger tastete das Papier ab und fuhr an einer unsichtbaren Linie entlang.
»Schmöckwitzweg.«
»Wo ist das?«
Johanna zuckte mit den Schultern. »Weiß ich nicht«, gestand sie.
Frauke sah Putensenf an.
»Ich bin Polizist, keine Verkehrsauskunft«, grummelte der zurück.
»Es mag sein, dass Sie in dem Dorf, aus dem Sie kommen, jede
Weitere Kostenlose Bücher