Niedersachsen Mafia
wieder am Anfang unseres Gesprächs. Niemand hat das
Personal, um die Papiere aller an einer solchen Kette beteiligten Unternehmen
zu prüfen.«
»Die Händler müssen aber durch exorbitant hohe Gewinne auffallen,
wenn sie nicht Steuerhinterziehung begehen und die Erlöse schwarz einstecken.«
»Wenn das Schweizer Bankgeheimnis halb so sicher wäre wie das
deutsche Steuergeheimnis«, gab Dr. Braun zu bedenken, »würde ich jedem raten,
seine Schwarzgelder beim deutschen Fiskus anzulegen. Die Betriebsprüfer gehen
jedem Verdacht nach, wenn sie vermuten, jemand könnte dem Staat Geld
vorenthalten haben. Haben Sie schon einmal gehört, dass man jemanden einer
Sonderprüfung unterzogen hat, weil er zu viel Steuern bezahlt?«
Leider hat Dr. Braun recht, dachte Frauke, nachdem sie sich von der
Kielerin verabschiedet hatte. Eine der möglichen Spuren, die sie verfolgen
mussten, war die Suche nach den Handelswegen. Aber in diesem Punkt hatte Dr.
Braun ihr nicht viel Mut gemacht.
Fraukes Handy meldete sich. Es war ein Anrufer, der seine Identität
unterdrückt hatte.
»Am Tod des Alten sind Sie schuld«, sagte die fremdländische
Männerstimme, die Frauke vertraut war. Es war der Mann, der die Todesdrohung
gegen sie vorgebracht hatte.
»Was wollen Sie?«, fragte Frauke.
»Halten Sie sich aus Dingen heraus, die Sie nichts angehen.«
»Verlangen Sie im Ernst, dass die Polizei ihre Ermittlungen
einstellt?«
»Ich habe mich klar und deutlich ausgedrückt. Sonst gibt es noch
mehr Tote.«
»Sie haben den alten Mann nicht zufällig ermordet. Damit wollen Sie
mich erpressen.«
»Kluges Mädchen.«
»So menschenverachtend kann niemand denken.«
»Wir schon«, erwiderte die Stimme mit stoischem Gleichmut.
Frauke lief ein Schauder über den Rücken. Eine solche offene
Brutalität war ihr noch nie begegnet. »Ich werde Sie bis ans Ende der Welt
verfolgen. Wie Dominosteine werden wir Ihre Zellen zerstören, die schmutzigen
Nester ausräuchern und die verbrecherischen Geschwüre herausschneiden.«
»Schöne Metaphern«, lästerte die Stimme. Frauke war nicht verborgen
geblieben, dass der Mann am anderen Ende der Leitung nicht mehr so zynisch
klang wie zu Beginn des Gesprächs.
»Sie bangen um Ihre Absatzkanäle für italienische Spezialitäten.
Nachdem wir die Fleischconnection und den Versandhandel von Rauschgift
trockengelegt haben, fürchten Sie jetzt um den Gemüsehandel und den Verkauf
illegaler Arzneimittel«, startete Frauke einen Versuch. Aber der Mann holte nur
noch einmal tief Luft und beendete das Gespräch ohne Antwort.
Auf dem Flur war es lebhaft geworden. Kurz darauf kam Madsack in ihr
Büro und ließ sich am Schreibtisch nieder.
»Wir sind in der Lister Meile fertig«, erklärte der Hauptkommissar.
»Zunächst einmal: Die Fahndung nach dem Motorrad ist bisher erfolglos. Die
Maschine scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Am Tatort hat sich
nichts Neues ergeben. Das Opfer hieß Friedrich Rabenstein. Er war
achtundsiebzig Jahre alt, seit vier Jahren verwitwet. Rabenstein war
Sudetendeutscher und bis zur Pensionierung über dreißig Jahre als
Verwaltungsangestellter bei der Stadt Hannover beschäftigt. Er hinterlässt drei
Kinder und zwei Enkel. Die Angehörigen werden benachrichtigt.« Madsack
schnaufte zwischendurch. »Es gibt bisher keine Erkenntnisse, warum man auf ihn
geschossen hat.«
»Das galt nicht dem alten Mann«, erklärte Frauke.
»Ich habe es mir gedacht«, fuhr Madsack fort. »Aber warum hat man
Sie verfehlt?«
Frauke unterließ es, dem Hauptkommissar von der Morddrohung gegen
sie zu erzählen. Sie war sich nicht sicher, ob man sie nicht hinter ihrem
Rücken für den Mord an Rabenstein verantwortlich machen würde, auch wenn sie
rechtlich keine Schuld traf.
»Gibt es Hinweise auf die Tatwaffe?«, fragte sie.
»Wir sind uns ziemlich sicher, dass es ein Gewehr war. Kaliber 7 , 62 Natoformat. Das lässt auf ein unter anderem bei der Bundeswehr verwandtes G 3 schließen«, sagte Madsack. »Mehr wissen
wir noch nicht. Alles andere bleibt der Rechtsmedizin und der Kriminaltechnik
vorbehalten.«
Frauke nickte. Jetzt hieß es, die Ungeduld zu zügeln. Es gelang ihr
nur schwer. Sie griff zum Telefon und rief Mark Heidenreich in der
Polizeidirektion Lüneburg an.
»Das trifft sich gut«, sagte der Hauptkommissar. »Ich wollte Sie
auch gerade anrufen. Günter Blechschmidt aus Salzhausen hat sich vor zehn
Minuten bei mir gemeldet. Sein Lieferant hat ihn angerufen und für morgen
Vormittag ein
Weitere Kostenlose Bücher