Niedersachsen Mafia
Woher
wissen Sie …«, stammelte er, versuchte sich aber schnell zu korrigieren. »So
war es nicht. Ich habe mit Bernd
sprechen wollen.«
Frauke lehnte sich zurück. »Nur mal so. Weil Sie an einem Freitag
nichts Besseres zu tun hatten. Woher wussten Sie überhaupt, dass Richter in
Untersuchungshaft ist?«
Annenmeyer schien sich ein wenig zu fangen. »Aus der Zeitung. Und
für diese Region ist die Schulenburger Landstraße zuständig.« Er nannte die
Adresse der Justizvollzugsanstalt.
»Nein!«, widersprach ihm Frauke und zupfte mit den Fingern den
Pullover auf ihrer Schulter in die Höhe, dort, wo Annenmeyer seine
Schulterklappen trug. »Sie sollten im Interesse Ihrer Karriere bei der Wahrheit
bleiben. Mit über vierzig erlernen Sie keinen anderen Beruf mehr. Wie wollen
Sie Philipp klarmachen, dass er aus dem schönen Haus in der Spörkenstraße
ausziehen muss? Wollen Sie ihm zumuten, durch eine Kleinstadt wie Wittingen
Spießruten zu laufen, weil jeder hinter ihm hertuschelt, dass sein Vater als
Polizeibeamter Verfehlungen begangen hat?«
»Ich habe doch nichts getan, nur Bernd Richter besucht. Ehrlich.«
Frauke streckte ihre Hand aus und zeigte mit dem Finger auf
Annenmeyer. »Ich mag keine Leute wie Sie, die mit Mördern konspirieren. Wenn
Sie mit der Mafia zu tun haben, ist Ihr Leben zu Ende«, drohte sie ihm und
schnipste dabei mit den Fingern.
»Mafia?« Erschrecken stand dem Polizisten ins Gesicht geschrieben.
»Welche Mafia?«
»Richter hat vermutlich im Auftrag der organisierten Kriminalität
gehandelt, die man gemeinhin als Mafia bezeichnet, auch wenn in diesem Fall
eine andere Vereinigung dahinterstecken mag.«
»Damit habe ich nichts zu tun.« Annenmeyer atmete schwer und wischte
sich mit dem Hemdsärmel über die schweißnasse Stirn.
Frauke hatte eine Idee. »Hat Dottore Carretta Sie informiert?«
Der Polizist schüttelte sich, als hätte er Fieber. »Der Anwalt hat
doch nichts mit der Mafia zu tun.«
Frauke atmete tief durch. »Also doch. Der Anwalt hat Sie angerufen.
Weshalb?«
»Er vertritt Bernd«, antwortete Annenmeyer schwach. »Und Richter hat
ihn gebeten, mich zu informieren.«
Das war eine faustdicke Überraschung für Frauke, dass Richter, der
sich bisher geweigert hatte, sich rechtlich vertreten zu lassen, ausgerechnet den
italienischen Anwalt als Verteidiger gewählt hatte. Der greise und auf den
ersten Blick fast senil wirkende Advokat schien überall seine Finger im Spiel
zu haben. Andererseits hatte die Gegenseite damit einen – weiteren – Fehler
begangen. Wenn Richter dem Dottore das Mandat übertrug, dokumentierte er seine
Verbindung zur Organisation. Auch die geschicktesten Verbrecher verstrickten
sich oft in Kleinigkeiten.
»Woher kennen Sie den Anwalt?«
Annenmeyer hielt sich beide Hände vor den Bauch, als hätte er Leibkrämpfe.
Als er sie ein wenig verlegte, sah Frauke die nassen Abdrücke auf dem
Uniformhemd. Dem Mann schoss der Schweiß aus allen Poren.
»Dr. Carretta hat den Vertrag aufgesetzt«, sagte er mit kaum
wahrnehmbarer Stimme. Immerhin, registrierte Frauke, hatte der Polizist »Dr.
Carretta« und nicht »Dottore« gesagt.
»Was für einen Vertrag?«
»Als Polizist, Sie wissen …« Annenmeyer schluckte schwer. »Als
Polizist verdienen Sie nicht übermäßig. Meine Frau konnte nicht mitarbeiten,
weil wir neben Philipp noch ein krankes Kind haben. So war es damals schwierig,
eine Hypothek für das Haus zu bekommen. Uns fehlte es am nötigen Eigenkapital.
Und hier, in Wittingen, können Sie nur schwer eine Wohnung bekommen. Das
Angebot ist sehr dürftig.«
»Sie haben Geld genommen?« Frauke hatte in ihre Frage alle Schärfe
gelegt.
»Um Gottes willen. Nein!« Es klang wie ein Aufschrei. »Bernd hat mir
damals geholfen, einen Kreditgeber zu finden, der das fehlende Eigenkapital
ersetzt hat. Wir haben einen regulären Kreditvertrag gemacht, mit Zinsen und
so.« Annenmeyer seufzte. »Ich zahle dafür sogar wesentlich mehr Zinsen, als ich
bei einer normalen Bank zu entrichten hätte. Ich kann das alles belegen. Monat
für Monat.«
»Wer ist der Kreditgeber?«
»Einer aus Hannover. Ein Gastwirt. Danielo Battaligia.«
Frauke war nicht überrascht. Battaligia hielt als vermeintlicher
Strohmann die Geschäftsanteile für den Sexclub in Hannover, hinter dem Igor
Stupinowitsch stecken sollte.
»Gastronom?«, fragte Frauke mit deutlichem Zynismus in der Stimme.
»Ihr Baugeld stammt aus einem Bordell.«
Annenmeyer presste die Hände noch fester vor
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