Niedersachsen Mafia
Mit gespannter Aufmerksamkeit und der Waffe
in Vorhalte suchte sie alle Räume ab, sah in die Kammer und in die Schränke.
Nichts. Die Wohnung war leer. Es sah auch nicht so aus, als hätte sich ein
ungebetener Besucher während ihrer Abwesenheit hier aufgehalten.
Frauke verschloss die Haustür und balancierte ein leeres Glas auf
dem Türgriff. So würde sie hören, wenn sich jemand heimlich Zugang verschaffen
sollte.
Dann brühte sie sich einen Kaffee auf, verrichtete ein paar
Handgriffe im noch ungeordneten Haushalt und schaffte es dabei sogar, sich ein
wenig abzulenken.
Sie ärgerte sich über sich selbst, als sie registrierte, dass sie
zwischendurch oft auf die Uhr sah. Noch erstaunter war sie, als sie sich ins
Badezimmer zurückzog, sich sorgfältig zurechtmachte und auch die Auswahl ihrer
Kleidung kritisch vollzog. Bei einem prüfenden Blick in den Spiegel überlegte
sie, wie lange es her war, dass sie so viel Mühe aufgewandt hatte, weil sie
sich mit einem Mann traf.
Auf die Minute genau klingelte ihr Handy. Georg teilte ihr mit, dass
er vor der Haustür auf sie warten würde. Hatte er nicht an der Haustür
geklingelt, weil er aufgrund des fehlenden Namens nicht wusste, welcher Knopf
ihr gehörte? Oder war es seine an den Tag gelegte Zurückhaltung?
Georg begrüßte sie mit Handschlag. Er hatte legere Kleidung gewählt,
die aber trotzdem den edlen Herrenausstatter verriet.
»Wohin?«, fragte er.
»Ich habe kein Ziel«, sagte Frauke. »Bummeln wir ein wenig.«
»Einfach so?«
Ein wenig mürrisch beugte sich Georg ihrem Wunsch und schritt an
ihrer Seite scheinbar planlos durch die Straßen. Frauke versuchte, unauffällig
nach einem System die Gegend abzulaufen, während sie nach italienischen
Restaurants Ausschau hielt. Sie hatten nach gut eineinhalb Stunden Fußmarsch
eine Handvoll entdeckt und inspiziert, aber Frauke hatte stets bekundet, ihr
würde das Lokal nicht zusagen.
»Wenn Sie mir Ihre Wünsche offenbaren, könnte ich vielleicht
behilflich sein«, sagte Georg. »Außerdem fällt mir auf, dass Sie nach einem
festen Plan strukturiert die Gegend erkunden. Suchen Sie etwas?«
»Nein«, bestritt Frauke und merkte selbst, wie schwach ihr Argument
klang.
Als sie auf die nächste Pizzeria stießen, weigerte sich Georg weiterzulaufen.
Frauke willigte ein und folgte ihm. Es war ein italienisches Restaurant mit
einer umfangreichen Karte, auf der sich all das fand, was der deutsche Gast als
»typisch italienisch« erachtete.
Der Kellner war freundlich, das Essen genießbar, ohne dass Frauke
ins Schwelgen verfiel, der Rotwein rustikal und ehrlich, und Georg erwies sich
– wieder einmal – als kurzweiliger und unterhaltsamer Begleiter.
Obwohl Frauke mehrfach den Versuch unternahm, ihn auszufragen, nach
seinem Namen, seinem Beruf oder anderen persönlichen Dingen, wich er stets aus.
Es schien ihm fast eine diebische Freude zu bereiten, sich geheimnisvoll zu
geben.
Frauke achtete sorgfältig darauf, dass Georg ihr nichts ins Glas
geben konnte, und als sie irgendwann von der Toilette zurückkehrte, bat sie den
Kellner um ein neues.
Georg lachte. »Sie trauen mir alles Böse zu.«
»Solange Sie sich nicht offenbaren – ja.«
Erneut zeigte er ein fast jugendlich-frisches Lachen. Dabei zogen
sich die Falten um seine Augen zusammen. »Ich genieße es, Frau
Hauptkommissarin, wenn Sie gegen mich ermitteln.«
»Das sollten Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Im Übrigen
ist meine Nähe nicht ungefährlich, wie Sie gestern selbst gesehen haben.«
Georg war immer noch belustigt. »Ich liebe Gefahr. Ansonsten bin ich
mir sicher, dass mir niemand etwas
zuleide tut.«
Frauke hielt in der Bewegung inne. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Ach nichts«, wiegelte Georg ab. Zum ersten Mal vermeinte Frauke,
eine Unsicherheit bei ihm festzustellen. Schnell wich er auf ein anderes,
belangloses Thema aus und schien fast ein wenig verstimmt, als Frauke zwingend
nach einer Erklärung suchte.
Der Mann war ihr ein Rätsel. Er unternahm weder verbal noch
handgreiflich einen Annäherungsversuch, obwohl er sich nicht mit versteckten
Komplimenten zurückhielt.
Es war kurz vor Mitternacht, als der Kellner sie zum Aufbruch
mahnte. Sie waren die letzten Gäste.
Georg begleitete Frauke bis zu ihrer Haustür.
»Wo haben Sie Ihr Motorrad stehen?«
Georg lächelte und zeigte auf seine Kleidung. »Ich bin mit dem Auto
gekommen.«
»So etwas haben Sie auch?«, fragte Frauke mit spitzer Zunge zurück.
»Ich habe vieles,
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