Niedersachsen Mafia
war?
»Wie erklären Sie sich den Transport von gefälschten Arzneien aus
indischer Produktion über Weißrussland zu uns?«
»Das ist eine Unverschämtheit«, empörte sich Stupinowitsch. »Leider
gibt es in meiner Heimat noch viele Leute, die unsaubere Geschäfte machen. Und
wenn der Transporter, der meine Waren nach Weißrussland gebracht hat, auf dem
Rückweg missbraucht wurde, so müssen Sie Rossi fragen. Der hat die Transporte
organisiert und war dafür verantwortlich.«
Der Mann war aalglatt. Er wusste, dass die Polizei noch keine
Beweise gegen ihn in Händen hielt. Frauke war davon überzeugt, dass
Stupinowitsch bei Weitem nicht so unschuldig war, wie er sich gab. Frauke hielt
ihn für einen der Drahtzieher, wenn nicht gar für den Boss. Andererseits
resultierte der gegen sie gerichtete Hass, der sie auf die Todesliste der
Organisation gebracht hatte, aus den Ermittlungen im ersten Fall, dem Mord an
Marcello Manfredi, der Geldwäsche und dem Drogenschmuggel in den arabischen
Raum. Dort waren nur Italiener involviert. War Stupinowitsch wirklich
unschuldig? Sie hatte Zweifel, dass sich der Russe bei seinen Geschäften im
legalen Rahmen bewegte. Aber …
»Für den Mord an Friedrich Rabenstein, einem harmlosen alten Herrn,
wurde nachweislich Ihr Motorrad benutzt.«
»Es ist grauenvoll«, jammerte Stupinowitsch. »Der bedauernswerte
Mann.« Er legte die manikürte Hand aufs Herz. »Ich war erschüttert, als ich
davon hörte. Es war nicht rechtens, dass ich mein Motorrad zur Inspektion mit
dem Gemüsetransporter hierhergebracht habe. Aber bei uns in Weißrussland
versteht man sich nicht auf solche Technik. Ich habe kein Vertrauen in die
dortigen Werkstätten. Wie hätte ich die Maschine sonst nach Hannover bekommen?«
Stupinowitsch hatte für alles eine Erklärung, auf jeden Vorwurf eine
Antwort.
»Die niederträchtigen Mörder haben für diesen feigen Mord mein Motorrad benutzt. Ich weiß nicht, ob ich mich bei
diesem Gedanken jemals wieder auf die Maschine setzen und die Fahrt genießen
kann.«
Leider hatte der Mann recht. Es war nicht zu beweisen, dass
Trapattoni sich nicht unberechtigterweise das Motorrad angeeignet hatte.
»Trapattoni, den wir als einen der Mörder von Friedrich Rabenstein
überführt haben, war aber Ihr Angestellter, während das Motorrad beim
italienischen Gemüseimporteur stand.«
»Ich habe gehört, dass die sich kannten – Trapattoni und Rossi. Da
war etwas mit gemeinsamer Leidenschaft für Fußball. Trapattoni hat Rossi den
Alfa geliehen. Ich nehme an, dass Rossi sich dafür mit der Moto Guzzi
revanchiert hat. Der Lump. Mit meinem Motorrad.«
Frauke stutzte. Die Begründung war gut ausgedacht. Zu gut.
»Woher wissen Sie, dass sich Rossi den Alfa ausgeliehen hat, mit dem
Necmi Özden nach Lüneburg gefahren ist?«
Stupinowitsch erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde. Es bedurfte
vieler Erfahrung, um das zu registrieren. Frauke hatte das Erschrecken
wahrgenommen. Es geschah oft, dass sich Leute im Verhör durch Winzigkeiten
verrieten, sehr häufig, weil sie ein aus ihrer Sicht gutes Argument noch einmal
mit einem ihrer Ansicht nach besseren bekräftigen wollten.
»Das hat mir …« Stupinowitsch war ins Straucheln gekommen. »Wie das
man sagt?«, radebrechte er und versuchte, es auf mangelndes Sprachverständnis
zu schieben. Das war der nächste Fehler, da er während des ganzen Gesprächs
keine Verständigungsprobleme zu erkennen gegeben hatte.
»Das weiß nur die Polizei«, half Frauke nach.
Stupinowitsch hatte sich wieder gefangen. Er lächelte milde.
»Vielleicht ist es unklug, wenn ich es Ihnen anvertraue. Aber es stimmt nicht
ganz, dass nur die Polizei darüber informiert war. Sonntagabend, als wir uns
zufällig im Restaurant begegnet sind, da saß auch Giancarlo Rossi mit am Tisch.
Und der hat es erzählt. Genau!« Ein zufriedenes Lächeln zeigte sich auf dem
Antlitz des Russen. Entspannt ließ er sich auf die Lehne der Chaiselongue
zurücksinken.
Das Argument zog. Was blieb, war die winzige Unsicherheit, die der
Russe gezeigt hatte.
Stupinowitsch spitzte die Lippen und ließ den blauen Rauch in
Kringeln zur Decke steigen. »Ich habe nichts, absolut nichts, mit dem Mord zu
tun. Da es aber mein Motorrad war, fühle ich mich moralisch verantwortlich.
Wenn ich aus christlicher Nächstenliebe dennoch etwas für die Angehörigen des
alten Herrn tun kann, dann lassen Sie es mich bitte wissen.« Dann sah er auf
die Armbanduhr, die für Fraukes Geschmack zu protzig
Weitere Kostenlose Bücher