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Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Titel: Niederschlag - ein Wyatt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PULP MASTER Frank Nowatzki Verlag GbR
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auf sich selbst — zu besiegeln. Sie spürte den Zauber der Steine, war voller Impulse, offen für Risiken. Ihr Herz klopfte. Ihr Mund war trocken. Sie wollte weiter hinein in das magische Dunkel, das ein Mann wie Wyatt so genoss.

    ACHTZEHN

    Der Unterschlupf — eine Weatherboard-Schachtel bei Warrandyte in den Höhenzügen nördlich von Melbourne, die sich oberhalb eines Baches an einen Steilhang drängte. Inmitten dichter, hoher Bäume, zänkischer Vögel, Schluchten und Hügel überkam Raymond so etwas wie Platzangst. Von seinem Balkon in der Stadt hatte man einen Panoramablick. Hier sah man allenfalls den Gartenzaun, der zwischen den Bäumen verlief, und ansonsten nichts als Bäume. Mit ein wenig Glück erhaschte man einen Blick auf einen Zipfel Himmel. Darüber hinaus gab es nur diese Bude, die Auffahrt und Raymonds Jaguar.
    Und Denise Meickle, die, wie zur Salzsäule erstarrt, an der Eingangstür wartete. Raymond nickte, näherte sich dem Haus und was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Hier also sollte er ein paar Tage verbringen, ihren Kerl dabei unterstützen, aus dem Knast zu türmen, anschließend hier abhängen und am Schluss beiden helfen, das Land zu verlassen? Für fünfzehntausend Mäuse? Bei Gott, das würde er sicher nicht in seinem Lebenslauf erwähnen.
    Raymond ging auf Denise Meickle zu. Sie war wirklich ein nasser Lappen, zwar recht proper gekleidet, aber eine Leichenbittermiene, dazu einen Teint, der zu ständigen Rötungen neigte und zu Irritationen um Mund und Nase. Das Kinn kräftig, die Stirn breit, ein schlanker Körper, als gehörten Kopf und Rumpf verschiedenen Individuen. Raymond musste unweigerlich an Allie Roden denken und dankte seinem Glück. Mit Steer durfte es wohl nicht zum Besten stehen.
    Â»Hab’s geschafft«, sagte er.
    Die Meickle sah auf ihre Armbanduhr. »Ich habe Sie vor einer Stunde erwartet.«
    Kein Wunder, dass Chaffey bei ihrem ersten Treffen nicht hatte dabei sein wollen. »Ich hab mich verfahren«, sagte Raymond.
    Er hatte eine verschlungene Route durch Doncaster und Templestowe genommen und nur so gestaunt über die protzigen Anwesen dort, allesamt Beweis für den mangelnden Geschmack Neureicher, die ihr Geld oft auf unehrenhafte Art und Weise erworben hatten. Vor einigen Jahren hatte eine Geschichte die Runde gemacht, der zufolge Wyatt mit einer kriminellen Familie aneinandergeraten sei, sie auf ihrem Besitz überfallen habe, da sie ihm Geld geschuldet hätten. Nervenstärke und Weitblick. Raymond fühlte, wie sich Neid und Ressentiments in ihm regten. Warum sollte Wyatt ihm helfen, eine Gemäldesammlung zu stehlen, wenn er doch gestohlene Juwelen im Werte von einer Million irgendwo gebunkert hatte? Über die Jahre hinweg musste er doch jede Menge Geld beiseite gelegt haben. Wyatt konnte sich die Rosinen aus dem Kuchen picken. Eines Tages wird man über mich dasselbe sagen, dachte Raymond.
    Â»Nicht leicht zu finden, dieses Haus«, sagte er jetzt, »so versteckt hinter den Hügeln.«
    Â»Kommen Sie rein«, sagte die Meickle barsch. »Und bringen Sie Ihr Gepäck mit.«
    Raymond folgte ihr ins Haus. Drinnen roch es nach behandelter Kiefer, Holzbeize und schwach nach Katze. Das Haus gehörte Freunden von Denise Meickle. Sie waren für ein Jahr in Übersee. Meickle hatte einen Schlüssel und sollte sich eigentlich nur um den Garten kümmern.
    Sie betraten ein enges Wohnzimmer mit einer Glasfront, dahinter zwar hochgewachsener, aber spillriger Eukalyptus. Raymond wartete ab, gab sich damit zufrieden, dass Meickle hier das Kommando übernahm. Laut Chaffey war sie Gefängnispsychologin in Ararat, wo sie Steer kennengelernt hatte. Sie mochte ein trübsinniges Weibstück mit grobschlächtigen Gesichtszügen sein, aber Raymond wusste, dass Psychologen in einem lesen konnten wie in einem Buch, also nahm er sich vor, möglichst die Klappe zu halten.
    Â»Das mit dem Schlafen läuft folgendermaßen«, sagte sie, »ich im Schlafzimmer, Sie da hinten.«
    Sie zeigte ihm ein winziges Zimmer: ein Einzelbett, an drei Wänden ein umlaufender Fries mit Kindermotiven, ein Wandschrank, an dem ein Tierposter klebte, und ein Fenster mit Blick auf noch mehr beschissene Bäume. »Aha«, sagte Raymond.
    Â»Wenn’s Ihnen nicht gefällt, wäre da noch das Sofa.«
    Â»Das geht schon.«
    Â»Wenn Sie fertig sind,

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