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Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Titel: Niederschlag - ein Wyatt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PULP MASTER Frank Nowatzki Verlag GbR
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und half ihr hoch. »Kommen Sie, wir müssen hier weg.«
    Â»Was soll ich nur tun? Was, wenn er nie mehr wiederkommt? Ich kann nicht zur Arbeit zurück. Ich kann nicht nach Hause. Man wird mich verhaften. Was soll ich bloß machen?«
    Bring mich zum Wahnsinn. Wie wär’s damit?, dachte Raymond.

    ZWANZIG

    Information war alles. Wann immer Steer in eine neue Umgebung kam oder auf ihm Unbekanntes stieß, streckte er seine Fühler aus, fädelte Deals ein, tätigte Absprachen, übte Einfluss aus und Druck. Nur Stunden nach seiner letzten Festnahme hatte er gewusst, wer ihn an die Bullen verpfiffen hatte. Es war ein Zulieferer namens Phil Gent gewesen. Du brauchst Waffen, Sprengstoff und Zünder, ein Auto, Mobiltelefone oder Walkie-Talkies? Sprich mit Gent. So hatte Gent nicht nur Steer mit der Ausrüstung für seinen letzten Coup versorgt — die Plünderung einer Lagerhalle voller Scotch, nur ein Wachmann, mit dem man hatte fertig werden müssen —, sondern auch die Bullen mit entsprechenden Hinweisen, so dass man Steer dann draußen hatte in Empfang nehmen können.
    Steer hatte Gent nie zu Hause aufgesucht. Es waren immer neutrale Treffpunkte gewesen, ein Pub, ein Motelzimmer oder die Docks. Binnen weniger Stunden nach seiner Einlieferung in Pentridge hatte er in Erfahrung bringen können, wo Gent wohnte: in einem Farmhaus nahe Colac im Western District Victorias.
    Dorthin fuhr Steer, nachdem er Raymond und Denise zurückgelassen hatte. Wyatts Neffe schien stocksauer gewesen zu sein und Denise untröstlich. Aber es hatte sich nicht um Verrat gehandelt, obgleich es merkwürdig ausgesehen haben musste. Doch Steer war fest entschlossen, zurückzukehren.
    Er dachte über Verrat nach, während er durch die Nacht fuhr. Er war einmal von Wyatt reingelegt worden, jetzt aber galt sein Hauptaugenmerk Gent. Was hatte Gent geritten, ihn den Bullen auszuliefern? Und weshalb hatten ein paar Knackis Gent ans Messer geliefert?
    Verpfeifen, singen, denunzieren, hochgehen lassen. Steer versuchte, dahinterzukommen, während sich die weiße Fahrbahnmarkierung vor seinen Scheinwerfern entrollte. Man tat es, weil man einen Nutzen davon hatte, sei es in Form von Geld, Macht, Einfluss oder wegen eines Vorteils gegenüber anderen. Man tat es aus Rache. Man tat es, um jemanden loszuwerden. Man tat es, um zu verhindern, dass etwas passierte.
    Und die andere Seite der Gleichung? Der Bulle zum Beispiel, bei dem Gent auf offene Ohren gestoßen war? Vielleicht hatte er es Gent vergolten, indem er ihn bezahlt oder bei anderer Gelegenheit weggesehen hatte. Dergleichen Beziehungen waren von Abhängigkeit geprägt. Ob der Cop das hasste? Schließlich konnte er nicht all seine Hoffnungen auf nur einen einzigen Informanten setzen. Jemand wie Gent könnte kalte Füße bekommen oder aus einem Geschäft mehr herausschlagen wollen, er könnte genauso gut an keine Informationen mehr gelangen, weil über seine mangelnde Verschwiegenheit gemunkelt wurde.
    Oder, dachte Steer grinsend, jemand wie Gent könnte einfach aufhören zu atmen.
    Es war Steer ein Rätsel, wie Gent überhaupt noch in den Spiegel schauen konnte. Geld und Vorteile mochten über manches hinwegtrösten, aber er musste letzten Endes mit der Tatsache zurechtkommen, dass er ein Judas war. Packten ihn Scham und Schuldgefühle oder gelang es ihm, den Verrat mit Hilfe phantasievoller Überlegungen vor sich selbst zu rechtfertigen? Wie: »Es trifft nur die, die es verdient haben.« Oder: »Wer mir nichts tut, den lass ich auch in Ruhe.« Unablässig erneuerte sich die Straße im Licht des Mondes und der Scheinwerfer. Es gab eine Form von Verrat, die man nicht rechtfertigen konnte. Dabei lief es darauf hinaus, seine Partner im Stich zu lassen, ihnen das Risiko aufzubürden, von der Polizei geschnappt zu werden. Meistens steckten Gier, Kurzschlussreaktionen oder Feigheit dahinter, aber wenn jemand wie Wyatt so etwas abzog, war es kaltschnäuzig, hart, berechnend und unverzeihlich.
    Auf der Straße, die zu Gents Haus führte, schaltete Steer die Scheinwerfer aus und drosselte den Motor. Gent könnte von Natur aus schreckhaft sein oder durch die Abendnachrichten von dem Ausbruch erfahren haben. Wie auch immer, Steer wollte, dass Gent erst etwas mitbekam, wenn es bereits zu spät war. Das Haus kam in Sicht, ein altes Weatherboard-Haus abseits der Straße, das im schwachen

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