Niederschlag - ein Wyatt-Roman
gegen die Tür. »Gibt nicht mehr viele von uns. Die alte Schule, dein Onkel und ich. Die Jungen haben nur Drogen im Sinn, haben keine Finesse. Sind zu ungeduldig, um zu planen. Es ist eine Kunst. Man muss jeden Job langsam angehen, peinlich genau sein, alles durchdenken, von A bis Z.«
»Genau«, sagte Raymond.
»Dass man seine Operationsbasis nie am Ort des Zielobjekts hat zum Beispiel. Wenn man mit anderen arbeitet, macht jeder seine eigenen Recherchen, was das Objekt betrifft. Man schlägt sein Lager in Motels auf oder haust in Wohnmobilen auf Campingplätzen. Lass dir niemals den Fluchtweg abschneiden, sieh zu, dass deine alternativen Fluchtwege nicht blockiert sind â keine StraÃenbauarbeiten, keine Müllcontainer. Wennâs der Sache dienlich ist, lenk die Notdienste mit einem Feuer oder einer Explosion ab.«
Steer hatte auf Autopilot geschaltet, dozierte, vielleicht war es die Nervosität, die ihn beflügelte. Warum zum Teufel muss ich mir das eigentlich alles reinziehen?, fragte sich Raymond. »Du erzählst mir absolut nichts Neues«, sagte er scharf.
Steer zuckte mit den Achseln. »Reg dich ab, Sonnenschein. Wollte dir nicht zu nahe treten. Du wärst nur ziemlich überrascht, wie viele Amateure, Abhängige und Egomanen mitmischen.«
Raymond lag die Antipathie, die er für Steer empfand, geradezu auf der Zunge. »Und woher willst du wissen, dass ich nicht auch einer von denen bin?«
Steer war jetzt Beherrschung durch und durch; sehr konzentriert, sagte er mit eisiger, ruhiger Stimme: »Du bist auf Empfehlung dabei, aber wenn du mich aufs Kreuz legst, vergiss nicht, dass mir âne Menge Leute noch einen Gefallen schulden. Ich kenne mich aus. Pflege meine Beziehungen. In dem Moment, wo ich einen Knast betrete, wird er quasi zu meinem Büro. Ich weiÃ, was läuft, oder finde es heraus. Ich spür dich auf und nicht mal dein berühmter Onkel könnte dich dann retten.«
Schweigen. Dann rieb Steer seine Hände aneinander. »Wie bist du mit meinem Mädchen ausgekommen?«
»Gut«, sagte Raymond vorsichtig. Hatte der Arsch etwa in seiner Zelle gehockt und sich ausgemalt, wie Denise mit ihm, Raymond, herumvögelte? Er hob beschwichtigend die Hand. »Ich meine, wir hatten jede Menge zu tun, um das Ganze hier vorzubereiten.«
Steer seufzte vernehmlich. »Ist schon âne Klassefrau. Ich konnte es kaum noch abwarten.«
Mein Gott, dachte Raymond. Der Typ ist wirklich scharf auf sie.
Eine halbe Stunde später trafen sie Denise auf einem dunklen Parkplatz am Hume Freeway. Sie warf sich in Steers Arme. Raymond entfernte sich von den beiden, sah weg, während sie sich küssten und miteinander flüsterten.
Als sie voneinander ablieÃen, sagte er: »Ich möchte hier nicht länger rumhängen.«
»Ist noch Zeit für einen Schnappschuss?«, fragte Denise.
Raymond runzelte die Stirn. »Was haben Sie vor?«
Denise holte eine Polaroidkamera aus ihrem Wagen und sagte selbstbewusst: »Eine Aufnahme von diesem denkwürdigen Moment.«
»Mein Güte«, sagte Raymond.
Aber der Einfall hatte etwas. Zuerst fotografierte er Denise und Steer, beide Arm in Arm, anschlieÃend machte Denise eine Aufnahme von Raymond mit Steer.
Dann geschah erneut etwas AuÃerplanmäÃiges. »Ich hab noch was zu erledigen, Leute«, verkündete Steer. »Wir sehen uns irgendwann morgen Vormittag im Haus.«
Trunken vor Glück hatte Denise an seinem Arm gehangen, doch als sie das hörte, erstarrte sie. »Was denn zu erledigen?«
»Das erkläre ich später, morgen Vormittag. Bis dahin bleibt ihr im Versteck.«
»Das war aber nicht Teil des ursprünglichen Plans«, warf Raymond ein.
Steer bewegte sich auf ihn zu. Raymond blieb stehen und versuchte, der Brust, die sich jetzt gegen ihn presste, etwas entgegenzusetzen. Steers heiÃer Atem schlug ihm ins Gesicht. »Ich hab gesagt, ich komme zurück, okay?« Steers Finger landete auf Raymonds Brust. »Hast du das verstanden? Du wurdest dafür bezahlt, es bis zum Ende durchzuziehen.«
Raymond schwieg und verfolgte gelassen, wie Steer in den Range Rover stieg. Doch Denise verlor die Beherrschung. Sie fing an zu weinen und klammerte sich sogar an die Fahrertür, als Steer losfuhr. Als er weg war, fiel sie auf die Knie. Ihre Schultern zuckten. »Wohin fährt er? Warum tut er mir das an?«
Raymond ging zu ihr
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