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Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Titel: Niederschlag - ein Wyatt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PULP MASTER Frank Nowatzki Verlag GbR
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jemanden zu töten.«
    Wyatt bemerkte, wie sich Raymonds Gesicht verdüsterte; vielleicht war es eine Art nach innen gerichteter Blick, vielleicht ein Anflug von Erinnerung oder eine Gefühlsregung. Er hakte nach. »Hast du schon mal eine Waffe benutzt? Hast du es vor?«
    Raymond schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein. Hab nur mal gesehen, wie jemand erschossen wurde, das ist alles.«
    Â»Kein schöner Anblick, oder?«
    Raymond wich dem Blick seines Onkels aus. »Nein.«
    Sie verharrten in Schweigen. Wyatt ließ es zu und nahm den Faden erst nach einer Weile wieder auf. »Gesetzt den Fall, du wirst morgen früh von einem Cop oder Wachmann angehalten, dann wäge deine Möglichkeiten gegeneinander ab. Wenn du ihn mit Worten zur Räson bringen kannst, tu es. Schlag ihn auf den Kopf, wenn nötig, aber nicht so stark, dass er ernsthaft verletzt wird. Besser, du schnürst ihm die Luft ab, damit er ohnmächtig wird, hältst ihm den Mund zu und drückst mit der anderen Hand gegen seine Kehle. Er wird sich wehren, aber das verbraucht Energie und über kurz oder lang wird er das Bewusstsein verlieren. Was auch immer, alles ist dem Gebrauch einer Waffe oder einer ernsthaften Verletzung vorzuziehen.«
    Â»Du hast Leute erschossen.«
    Â»Ich habe Leute erschossen, die mich betrogen oder damit gedroht haben, mich zu zu töten, Leute, die mir keine andere Wahl gelassen haben. Ich habe nie abgedrückt, weil ich in Panik war oder Lust darauf hatte oder weil ich verkatert war und so leicht zu verwirren, ich habe auch nie abgedrückt, weil es sich als einfachste Lösung angeboten hatte.«
    Raymond legte einen Arm über seine Augen.
    Wyatt beobachtete seinen Neffen. »Du spürst den Druck. Mir geht es genauso. Das ist normal. Ich würde mir Sorgen machen, wenn es anders wäre.«
    Â»Was, wenn wir morgen hier rausgehen und irgendwas stimmt nicht?«
    Â»Wir lassen alles stehen und liegen, verschwinden und schreiben Mühe, Kosten und die Zeit, die wir investiert haben, in den Wind — ich rechne immer mit dem Schlimmsten. Auf diese Weise kann man mich weder überraschen noch überrumpeln.«
    Â»Es könnten Zivilbullen rumhängen, die herausfinden sollen, wohin die Bilder gebracht werden.«
    Wyatt zuckte mit den Achseln. »Halt immer Ausschau nach dem, was erst auf den zweiten Blick ins Auge fällt. Achte auf die Körpersprache, auf die Art und Weise, wie jemand dasteht oder geht. Auf die Kleidung. Wenn alle außer einem kein Jackett tragen, dann trägt der vermutlich auch eine Waffe bei sich.«
    Raymond lachte rau. »Auf einen Bullen zielen und einen Studnik treffen.«
    Â»Du könntest versuchen, auf den Cop zuzurennen.«
    Â»Auf ihn zurennen?«
    Â»Das bringt ihn aus dem Konzept, hindert ihn daran, genau zu zielen.«
    Raymond lag noch immer ausgestreckt auf dem Teppich. Er schlug die Füße übereinander und faltete die Hände hinter dem Kopf. »Ich bin froh, wenn wir wieder im Auto sitzen. Und danach über alle Berge sind.«
    Â»Es gibt einen großen Unterschied zwischen weggehen und weg sein. Wir müssen unsere Kleidung verbrennen, damit wir nicht mit dem Tatort in Verbindung gebracht werden können, über Teppichfasern zum Beispiel, die uns anhaften. Der Transporter muss gesäubert und irgendwo abgestellt werden. Dann die Übergabe an Chaffey. Wir haben noch einiges vor uns.«
    Â»Manchmal kannst du einem mit deiner Scheinheiligkeit gehörig auf den Sack gehen, Onkel Wyatt.«
    Wyatt empfand das merkwürdigerweise als Kränkung, aber schwieg dazu.
    Â»Ich meine«, fuhr Raymond fort, »hast du eigentlich jemals Freude an dem, was du tust?«
    Zu Wyatts eigener Überraschung sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus: »Wenn man die Nerven und die Fähigkeit dazu hat, Ray, gibt es nichts Vergleichbares auf der Welt. Ich weiß, ich habe gesagt, dass man von einer Sache Abstand nehmen sollte, wenn man auch nur den geringsten Zweifel hegt. Aber ich weiß auch, dass man nicht mehr davon loskommt, alle Chancen ausloten, sein eigener Herr sein zu können, mit einem Schlag so viel Geld zu machen wie mit einem Bürojob in zehn Jahren. Aber das Geld ist es nicht allein, es macht nicht einmal zehn Prozent aus.« Er hielt inne, suchte nach passenden Worten, dann sagte er: »Ich mag es, meinem Verstand und meinem Körper alles abzuverlangen, um der

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