Niederschlag - ein Wyatt-Roman
ScheiÃer.«
Er drehte sich zur Seite und sah seinen Neffen an. Die Bewegung erfolgte langsam und bewusst, sein Gesichtsausdruck war kalt und abweisend. Er nahm jedes Detail an Raymond ins Visier, wägte ab, und schlieÃlich blieb sein Blick an Raymonds Gesicht haften. »Du hast sie erschossen.«
»Bestimmt nicht. Vielleicht Steer, aber nicht ich.«
Wyatt schlug seinem Neffen gegen den Hals, ein Hieb mit der Handkante, der Raymonds Kopf wie einen Punchingball vor und zurück federn lieÃ.
Mit schockstarr geweiteten Augen schrie Raymond auf; es war ein erstickter Schrei des Schmerzes und der Angst. »Schlag mich nicht. Schlag mich bitte nicht. Ich bin mein ganzes Leben lang geschlagen worden.«
Für einen Moment wurde Wyatt zum Beobachter seiner selbst und er mochte den Mann nicht, den er jetzt sah, der unnachgiebig und verbissen dasaÃ, bereit, ein weiteres Mal zuzuschlagen. Er wünschte, Raymond wäre ein Fremder. Aber zwischen ihm und Raymond gab es Blutsbande, ein Faktor, der alles erschwerte. Er lieà den Arm sinken. »Ich werde dich nicht schlagen, aber du wirst mir alles erzählen.«
»Ich habe die Schlampe nicht umgebracht. Steer warâs«, krächzte Raymond.
Diesmal zielte Wyatt auf Raymonds Magen, ein harter Schlag, der ihm den Atem raubte. »Du bist in einem miserablen Zustand gewesen, als ich dich vor der Tür deiner Wohnung getroffen habe. Eine wüste Nacht, hast du behauptet, aber da war Blut an deinem Ãrmel und du hast mehr als mitgenommen ausgesehen. Du hast sie erschossen und das ist dir auf den Magen geschlagen.«
»Sie wollte einfach nicht die Klappe halten«, begann Raymond weinerlich. »Immer dieses Jammern wegen Steer. Ist er abgehauen, sieht sie ihn wieder, was soll sie bloà machen â es hat mich fast in den Wahnsinn getrieben. Ich musste da mal raus. Als ich wiederkam, war das Haus dunkel und ich hab sie aus Versehen erschossen. Hey, was machst du da?«
Wyatt zog den Zündschlüssel ab. Die Geschichte hörte sich mehr oder weniger glaubhaft an. Doch selbst wenn Raymond Steers Freundin nicht erschossen hatte, führte das zu mehr Komplikationen, als Wyatt momentan vertragen konnte. Er kurbelte das Seitenfenster herunter und warf die Schlüssel über den Zaun, hinüber in einen mit Unkraut überwucherten Garten.
»ScheiÃe, was soll das?«
Wyatt langte nach dem Türgriff. »Unsere Wege trennen sich hier. Wir verschwinden, jeder für sich, als wäre nichts gewesen.«
Hysterie schlich sich in Raymonds Stimme, als er jetzt Wyatts Arm packte und sagte: »Wir können jetzt nicht auseinanderlaufen. Wir sind unbehelligt da rausgekommen, wir haben die Bilder. Es gibt keinen Grund.«
»Für mich fühlt sich alles falsch an. Mein Instinkt sagt mir, dass ich aussteigen muss. Du hast sie erschossen, womöglich trägst du noch die Waffe mit dir herum und das bedeutet doppeltes Risiko. Was weià ich, was für Mist du sonst noch verbockt hast. Vielleicht hat man dich beim Einkaufen in Warrandyte gesehen. Vielleicht wurde sie bereits vor ein paar Tagen gefunden und man ist dir bereits auf der Spur. Wir beenden die Sache, Ray. Du gehst deinen Weg, ich gehe meinen. Punktum.«
Als Wyatt erneut nach dem Türgriff langte, zog Raymond die Ruger aus der Innentasche seines Overalls und presste die Mündung gegen Wyatts Kiefergelenk. »Wir bringen jetzt die Gemälde zu Chaffey. Wir kriegen unser Geld. Dann trennen wir uns«, zischte er.
»Zu gefährlich.«
»Ich brauche das Geld.«
»Vergiss es, Ray«, sagte Wyatt, hob langsam die Hand und stieà die Ruger weg. Dann beugte er sich unter das Armaturenbrett und riss heftig am Stromkabel.
»Du Mistkerl«, stieà Raymond unter Schluchzen hervor und schlug mit dem Griff der Pistole auf Wyatts kahlen Schädel, mit voller Wucht, mehrere Male. Wyatt nahm um sich herum nichts als lähmende Schwärze wahr. Raymonds Schluchzen verschwand hinter einer Nebelwand des Schmerzes, Blut sammelte sich in seiner Schlüsselbeinhöhlung und er spürte nur noch das Bedürfnis, sich zusammenzurollen und seine Qual zu lindern. Er wollte nicht mehr kämpfen, nicht mehr flüchten.
Nach geraumer Zeit erwachte Wyatt aus seiner Bewusstlosigkeit, ein Haufen Elend hinter dem Steuer eines gestohlenen Transporters. Ihn fror. Von Schüttelfrost gepackt, kam er nicht dagegen an, dass seine Zähne
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