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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Ehrenabzeichen. Alois Schratzenstaller musste aber bei seinen jahrelangen Kämpfen und Eulenspiegeleien mit den Behörden und Firmen feststellen, dass ihm langsam das Geld ausging. Ein begehrtes Grundstück zu haben war eine schöne Sache, aber der Besitz allein konnte ihn nicht sattmachen. Und so war ihm das Angebot von Luigi Odore und Karl Swoboda gerade recht gekommen. Die Akquisiteure der ehrenwerten Familie waren die ersten, die nicht das Grundstück kaufen wollten, sondern sich für seine Forschungsarbeiten interessierten und dafür einen Haufen Geld hinblätterten. Und auch schon, bar, hingeblättert hatten. Das war garantiert kein Geld vom Staat, das war aufregend gefährliches Geld, das roch nach außerbuchhalterischen Einnahmen.
     
    »Natürlich ist das ein einheimisches Weißbier und keines aus einer Münchner Brauerei«, sagte Schratzenstaller und schenkte die zwei Flaschen gleichzeitig in die Gläser. »Ich stecke doch diesen Münchner Halsabschneidern und Bazis kein Geld in den Rachen.« Die beiden Schaumsäulen stiegen hoch wie zwei junge Lipizzanerschimmel beim Oktoberfestumzug.
    »Also dann, auf ein gutes Gelingen!«
    Sie hoben die Gläser, stießen an und tranken genussvoll. Karl Swoboda, das Verbindungsglied zur ehrenwerten Familie, der Disturbance Handler, der österreichische Problemlöser, wischte sich den Schaum vom Mund und war zufrieden, dass alles so glattgegangen war. Schratzenstaller wickelte den zeitungsumschlungenen Leberkäse hastig auf und verzehrte ihn gierig, aus dem Papier heraus, ohne Teller, nur mit dem Stichmesser, das er, ganz klassisch, immer im Messertascherl seiner Lederhose stecken hatte. Swoboda hatte um Besteck und eine Papierserviette gebeten.
    »Ich bin Angehöriger einer Kulturnation«, sagte er.
    »Leberkäse muss man schlingen, sonst schmeckt er nicht.«
    »Aber so wie du den reinschlingst, merkst du ja gar nicht, dass es der supergute Leberkäse vom Metzger Kallinger ist.«
    »Was ist eigentlich mit dem Italiener, diesem Odore?«, fragte Schratzenstaller.
    »Ach der!«, sagte Swoboda so beiläufig wie möglich. »Das ist ein vielbeschäftigter Mann, der wird in Italien gebraucht. Ich bin jetzt deine Kontaktperson.«
    »Da weiß man wirklich nicht, was schlimmer ist: ein parfümierter Katzelmacher wie der Odore oder ein Wiener Vorstadt-Striezi wie du.«
     
    »Erzähl mir lieber nochmals genau, was deine Viecherl so alles können, ich habe nur die Hälfte davon mitgekriegt.«
    Die Wahrheit war, dass er bisher gar keine Details davon mitbekommen hatte, wie diese Insekten funktionierten.
    »Na gut, dann nochmals ganz langsam, für alle Österreicher am Tisch.«
    Nachdem zwei Pfund Leberkäse vertilgt waren, begann der Ex-Imker mit seinen Ausführungen.
    »Ich muss vielleicht vorausschicken, dass ich kein Wissenschaftler, also kein studierter Insektenforscher bin. Mein Vater hat mir eine ganze Bibliothek mit entomologischen Fachbüchern hinterlassen, und viele habe ich auch gelesen, aber auf Dauer fehlt mir einfach die Geduld für den trockenen Stoff. Und dann regt mich auch sonst noch einiges auf am Wissenschaftsbetrieb und an diesen bierernsten Eierköpfen. Zum Beispiel wird immer bloß das erforscht, was sich auch zu Geld machen lässt. Die derzeitige Forschung ist eigentlich bloß ein Anhängsel der Industrie. Aber wer sollte die sauteuren Apparaturen sonst sponsern? Mein Vater hatte noch die Illusion, dass das, was er entdeckt hat, etwas Besonderes ist, etwas Weitreichendes, Außergewöhnliches. Er wollte hinter Geheimnisse kommen.«
    »Die Insekten haben es dir aber angetan!«, sagte Swoboda bewundernd, als er sich in der Stube umschaute. Zeichnungen von überlebensgroßen Grillen und in der Luft stehenden, kampfmaschinenähnlichen Stubenfliegen waren da zu sehen, überall lagen Bücher und Broschüren herum, mit immer wieder demselben Thema: Insekten.
    »Das kannst du laut sagen«, erwiderte Schratzenstaller. »Ich habe geforscht, aber ohne das ganze wissenschaftliche Brimborium, verstehst du. Man vertut viel zu viel Zeit mit der Systematik und übersieht dabei naheliegende Dinge. Was es bei den Insekten alles gibt! Eigentlich kann man sich nichts, aber auch gar nichts ausdenken, auf was die Viecherl nicht schon vorher gekommen wären.«
    Schratzenstaller machte sich noch ein Weißbier auf.
    »Und ruppige Sitten und Gebräuche haben sie auch, die angeblich so sozial kompetenten Insekten. Nehmen wir die Bienen. Woran denken wir bei Bienen? An ausschwärmende

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