Niedertracht. Alpenkrimi
dankenswerterweise noch an das Aussehen der Bedienung auf der Esterberg-Alm erinnern konnte –
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Hölleisen konnte den fränkischen Dialekt, dem harte Konsonanten vollständig fremd waren, gut nachahmen.
»Hoggnnosn?«, fragte Nicole. »Was ist denn das schon wieder?«
»Hakennase«, sagte Hölleisen. »Die Familie Mühlriedl hat so einen Zinken, seit Generationen schon. Ich habe herausgefunden, dass es sich um die Mühlriedl Resel handeln musste, die zur fraglichen Zeit auf der Esterberg-Alm gearbeitet hat. Ich habe mich mit diesem Herbert Heinlein am nächsten Tag von der Bergwacht hinfliegen lassen. Wir sind die Strecke nochmals abgegangen, sind schließlich und endlich an der fraglichen Wand gelandet.«
»Bundesverdienstkreuz für Hölleisen«, sagte Stengele.
»Eine Woche Urlaub auf einer einsamen Insel wäre mir lieber«, erwiderte Hölleisen. »Vier Stunden Dauerbeschallung mit fränkischem Dialekt – das hältst du als Oberbayer im Kopf nicht aus.«
Jennerwein wandte sich an Becker.
»Gibt es denn neue Informationen über Hans?«
»Verschwundene Cellisten in Staatsorchestern? Bratscher, die nicht aus dem Urlaub zurückgekommen sind? Ratlose Mitglieder eines inkompletten Streichquartetts, die verzweifelt einen neuen Kontrabassisten suchen? Wenn Sie so etwas in der Art meinen – da haben wir nichts herausgefunden.«
»Ich befürchte nur, dass unser Täter bald wieder zuschlägt«, murmelte Jennerwein und massierte die Schläfen mit Daumen und Zeigefinger.
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Ernst Jandl, »Gipfelruhe«
Am Anfang war Pangäa, der Urkontinent. Vegetationslos und unansehnlich lag der Erdteil vor 250 Millionen Jahren im Urmeer. In der Mitte des Jura gab es die ersten Risse in der Kontinentalplatte, im Jungpaläozoikum zerbrach Pangäa in zwei Teile, in Laurasia und Gondwana, die beiden Urkontinente.
Der Atlantische Ozean entstand und trennte Afrika von Amerika. Ab dem Eozän driftete Afrika nach Norden und trieb so die adriatische Platte wie einen Sporn in den südlichen Bereich von Europa hinein, worauf sich die Alpen aufwarfen. Die Evolution kam in Gang, und immer wieder schoben sich die beiden Platten übereinander, das letzte Mal vor fünfzigtausend Jahren, als schmallippige Affen das Tal bevölkerten. Langsam beruhigten sich die tektonischen Bewegungen, Menschen siedelten sich in den Alpen an, nur manchmal brodelte es im Untergrund, zum Beispiel in der Mitte der Jungsteinzeit, an der Bruchstelle zwischen der ehemaligen adriatischen Platte und dem europäischen Festland. Genau über dieser Stelle, weitere dreizehntausend Jahre später, einen Kilometer höher, im Werdenfelser Talkessel, am Fuße des Kramergebirges, in der geräumigen Bauernstube des Schratzenstallerischen Anwesens, öffnete der Hausherr zwei Weißbierflaschen und schenkte sich und Karl Swoboda die Gläser voll. Der Österreicher wickelte sein Gastgeschenk, zwei Pfund dampfenden Leberkäse, aus.
»Ist der auch wirklich vom Metzger Kallinger?«, raunzte Schratzenstaller misstrauisch.
»Eh klar«, erwiderte Swoboda.
Das Grundstück befand sich am Ortsrand, etwas erhöht, auf dem Kramerplateau, mit einem prächtigen Blick auf den Kurort. Unzugänglich und stolz lag es da, grantig und abweisend wie Alois Schratzenstaller selbst. Weil das Riesengrundstück gar so eine unverbaubar ruhige Lage hatte, war es auch kein Wunder, dass schon viele Interessenten ihre Finger danach ausgestreckt hatten: die Gemeinde (für einen Biathlon-Schießstand mit angeschlossenem Snow-Village), die Jesuiten (für eine elitäre Knabenschule), der Freistaat Bayern (für ein Forschungszentrum mit noch nicht ganz festgelegtem Forschungsziel), eine Partei (für ein dubioses Strategie-Zentrum), die amerikanische Garnison (für ein Wiederaufpäppelungs-Center). Schratzenstaller hatte immer und immer wieder abgelehnt, schon aus Prinzip. Den Vorsitzenden des Pro-Olympia-Vereins, Toni Harrigl, hatte er sogar mit der Schrotflinte von seinem Grundstück vertrieben – vier Monate mit Bewährung war das Ergebnis, doch der grantige Desperado trug diese Strafe wie ein
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