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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Ghettoblaster aufgestellt, auf zehn gedreht und volle Pulle
Dangerous
gespielt.
    »Der Kurpark ist auch nicht mehr das, was er einmal war«, hatte die Herzogin von Guermantes gesagt.
    »Ja, alles eine Folge der Ostverträge«, hatte ihr Fürst Myschkin ins Hörrohr geschrien.
     
    Darum gab es auch ein sonderbares Bild ab, dass hier, im Hort der Ruhe, in der gepflegten Floristik des Gemeindegärtners Ägidius Glockschlager der waffenstarrende Rocco ›Joe‹ Manzini dastand und Schritt für Schritt auf Swoboda zuging. Der Problemlöser musste erkennen, dass er in die Falle getappt war. Luigi Odore hatte vermutlich keine andere Aufgabe gehabt, als ihn hierherzulocken und ihn in die Arme dieses Schlägers zu treiben. Wäre er doch nur bei den fünf Rechtsalkoholikern geblieben, mit denen wäre er leichter fertig geworden als mit einer ausgebildeten Kampfmaschine der ehrenwerten Familie.
    Der Plan der beiden war klar. Swoboda sollte hier im Kurpark bloßgestellt werden, um Spalanzani zu zeigen, wie unfähig der österreichische Mitarbeiter war. Einer, der sich in die nächstbeste Falle locken ließ. Einer, der für den Job als Problemlöser vollkommen ungeeignet war.
     
    Swoboda suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Seine Augen sprangen blitzschnell hin und her, von Punkt zu Punkt. Er hielt kurz Heerschau bei seinen Verbündeten, er hatte heute nur zwei, nämlich die Dunkelheit und die Dummheit seiner Gegner, andere Bundesgenossen waren momentan nicht greifbar. Mit der markigen Stimme des Gruppenführers Edler von Seysenegg vom Artillerieregiment dreiunddreißig brauchte er Manzini nicht zu kommen, damit konnte man zwar aufgeregte Neonazis – Er entspannte sich. Er entspannte sich auffällig deutlich, atmete seufzend durch und setzte sich mit sichtbar hängendem Kopf auf einen Kieshaufen, den die Gemeindegärtner hier aufgeschichtet hatten, um morgen am Kieselweg weiterzuarbeiten.
    »Gut«, sagte Swoboda, »ihr habt gewonnen.«
    Er mischte eine Prise Resignation in seine Stimme, einen Hauch Kompromissbereitschaft, eine Messerspitze Angst, eine Spur Unterwürfigkeit.
    »Also, was wollt ihr?«
    Eine vollkommen überflüssige Frage war das, aber er sah, trotz der Dunkelheit, dass sich Manzini auch ein wenig entspannte, dass er seine Hand nicht mehr gar so krampfhaft nahe an sein geschmackloses Sakko und die darunter steckende Waffe hielt. Manzini schüttelte seine Hand sogar ein bisschen aus, er lockerte seine Finger, und in diesem kleinen Augenblick sah Swoboda seine Chance. Er steckte beide Hände tief in den Kies und schleuderte zwei Ladungen besten Wegebelags auf den zwei Meter entfernten Manzini. Der hielt sich reflexhaft die Hände vors Gesicht, die knappe Sekunde der Blendung und Verwirrung nützte Swoboda aus, er sprang auf, lief über den sauber gepflegten Ägidius-Glockschlager-Rasen, direkt auf das Kurhaus zu, das kolonial und verschnörkelt inmitten der Grünfläche thronte. Hohngelächter verfolgte Swoboda.
    »Lass ihn, der kommt nicht weit!«, hörte er Manzini nach hinten zu Odore rufen. »Du bleibst hier und bewachst die Mülltonne an der Mauer. Lass niemanden rein und raus.«
    Gleich darauf hörte Swoboda kräftige Spurtschritte auf Kies, in fünfzig Meter Entfernung, es waren athletische, weit ausgreifende Schritte. Dass Manzini nicht schoss, lag wohl einerseits an der Dunkelheit, andererseits daran, dass er noch vorhatte, ihm einige Informationen über Schratzenstaller und seine possierlichen Haustiere zu entlocken. Manzini kam schnell näher, im direkten Vergleich hatte Swoboda keine Chance. Vor ihm lag das Kurhaus. Er dachte fieberhaft nach. Der Haupteingang war nachts sicherlich verschlossen, aber die Hausmeisterwohnung im zweiten Stock hatte hinten am Gebäude einen eigenen Zugang, und dort lag seit urdenklichen Zeiten ein Schlüssel unter der Fußmatte. Das hatte ihm Ignaz Grasegger erzählt, der dort einmal eine Freundin gehabt hatte, die Tochter des Hausmeisters. Als Swoboda am Gebäude angekommen war, warf er einen kurzen Blick die Fassade hoch, um Fluchtwege und Rückzugsmöglichkeiten abzuschätzen. Mehrere verwinkelte Balkönchen und Mauervorsprünge umliefen das Gebäude, und einige Nadelbäume standen dicht daneben. Zur Not, dachte Swoboda, zur allergrößten Not, rutsche ich später eben an einer der Fichten hinunter. Er hob die Fußmatte hoch: nichts. Manzini war vierzig Meter entfernt. Ein Griff nach oben, auf die Querlatte über der Tür. Nichts. Dreißig Meter. Ein Blumenkübel.

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