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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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nicht.
    Ostler Ah, da schau her: So eilt es ihm auch wieder nicht. Als Hölleisen nun endlich draußen war und vom Tatverdächtigen den Personalausweis verlangte, entgegnete dieser, dass derselbe in seiner Hosentasche steckte, zu der er nicht hinkäme – wörtlich: ›net hikemma tatat‹ –, weil seine Arme schon draußen waren, so dass der Kollege Hölleisen wieder den langen Weg um das Gebäude herum und in dasselbe hinein nehmen musste.
    Mann Das ist ja eine verrückte Geschichte! ›Net hikemma tatat‹!
    Ostler Ruhe jetzt! Zefix! Wieder innen angekommen, wollte Hölleisen also dem Tatverdächtigen die Brieftasche aus der Gesäßtasche –
    Mann Zweimal ›Tasche‹.
    Ostler Jetzt reichts mir aber! (springt unwirsch auf) Weswegen sind Sie jetzt da?
    Mann (bleibt wirsch sitzen) Wegen meiner Frau.
    Ostler Und, was ist mit ihr?
    Mann Sie ist verschwunden.
    Ostler Seit wann?
    Mann Seit heute Morgen. Sie ist zum Zeitungholen gegangen und hat einen Zettel auf den Küchentisch gelegt: ›Komme gleich wieder‹.
    Ostler Komme gleich wieder. Das Übliche.
    Mann Wie: das Übliche. Kommt das öfter vor?
    Ostler Ja was glauben Sie! In unserer Asservatenkammer haben wir tausende von Zetteln mit ›Komme gleich wieder‹.
    Mann Ich muss mir also ernsthafte Sorgen machen.
    Ostler Die muss man sich immer machen. Aber vielleicht ist sie ja schon wieder daheim, die Frau.
    Mann Nein, bevor ich hierhergegangen bin, habe ich ebenfalls einen Zettel geschrieben: ›Bin auf dem Polizeirevier‹.
    Ostler Das ist geschickt.
    Mann Was machen wir aber jetzt mit meiner Frau?
    Ostler Wir schreiben eine Fahndung aus.
    Mann Ist das nicht noch etwas zu früh für eine Fahndung?
    Ostler Wärens’ halt später kommen, dann wär’s nicht zu früh.
    Mann Und dann hätten Sie gesagt: »Und da kommen Sie erst jetzt?«
    Ostler Freilich hätt ich das gesagt. Wir haben unsere Routine bei solchen Fällen. Für die Fahndung bräuchte ich eine Beschreibung von Ihrer Gemahlin. Haarfarbe?
    Mann Haarfarbe? (träumerisch) »Ô toison, moutonnant jusque sur l’encolure! –«
    Ostler Kreuzhimmel! Was ist denn das?
    Mann Das ist Baudelaire, ›Die Blumen des Bösen‹.
    Ostler Auf Deutsch, bitte.
    Mann Charles Baudelaire übersetzen! Das ist völlig unmöglich! Das kann man nur im Französischen so ausdrücken. »Oh Vlies, dessen krause Wellen gräulich bis zur Schulter schäumen –« Sehen Sie, es funktioniert nicht.
    Ostler Also: Haarfarbe steingrau.
    Mann Oh nein, ›steingrau‹ trifft es überhaupt nicht!
    Ostler Steingrau, basta. Haben Sie kein Foto von Ihrer Frau dabei?
    Mann Nein, aber einen Schal.
    Ostler Was tu ich denn mit einem Schal?
    Mann Wegen der Spürhunde vielleicht.
    Ostler Spürhunde? Sie scheinen sich ja ziemlich sicher zu sein, dass mit Ihrer Frau was Gröberes passiert ist.
    Mann Nein, aber ich habe von den Vorfällen gehört. Und vielleicht hängt sie schon in irgendeiner Wand. Ohne Schal –
    Ostler Und wie sollen da die Spürhunde hinkommen, in die Wand?
    Mann (zeigt plötzlich auf einen Stapel Fotos) Aber da ist sie ja!
    Ostler Um Gottes Willen. Ist das Ihre – Aber das kann ja gar nicht sein – (Ostler muss sich setzen, er stützt den Kopf in beide Hände. Er wischt sich den Schweiß ab, überlegt kurz, wirft einen flüchtigen Blick zu dem Mann, atmet kräftig durch, nimmt sich aber dann doch zusammen und blickt dem Mann fest in die Augen. Er ringt nach den rechten Worten, dann greift er zu dem Foto und hält es hoch.)
    Ostler Wenn das Ihre Frau ist –
    Mann Das? Nein, das ist nicht meine Frau. Lassen Sie mal sehen: Das ist doch die Tote, die man in dieser Greininger-Wand gefunden hat. Das Foto daneben, das ist meine Frau.
    Ostler Gott sei Dank. Das Bild haben die Kollegen von der Verkehrskontrolle gemacht. Vierzig Stundenkilometer zu schnell ist Ihre Frau gefahren, und auch noch in eine Einbahnstraße verkehrt hinein –
    Mann Aber nein, die meine ich auch nicht. Auf dem Foto rechts daneben, das ist sie.
    Ostler Warum sagen Sie das nicht gleich? Das ist ein Bild von einem Hobbyfotografen, der alle Zuschauer auf der Greininger-Wiese fotografiert hat. Er war der Meinung, es könnte ja auch der Täter drunter sein –
    Mann Ach so, die alte Geschichte. Dass der Täter immer an den Tatort zurückkommt?
    Ostler Macht er eigentlich nie, der Täter. Aber weiß mans. (Das Telefon klingelt, er hebt ab.) Ja? Ja. Ja. Ja. Sie haben also den Zettel gefunden. Ja, der sitzt hier bei mir. Ja, es geht ihm gut. Aha. (zum Mann) Sie

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